Träumerin

Erich Heckel

1913

Kohle, laviert, auf Bütten

Bildmaß 33,0 x 35,3 cm


Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See


Inventarnummer: 1.00057

Alternativer Titel: Mädchen mit hinter dem Kopf verschränkten Armen; Krankes Mädchen

Zeichnung, Schwarze Pigmente


Sammlungsbereich: Arbeiten auf Papier

Künstler/in: Erich Heckel


© Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen; VG Bild-Kunst, Bonn; Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg
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Beschreibung

Eine etwas hager wirkende Frau mit tief liegenden Augen, die wir von der Seite sehen, blickt, angelehnt an eine Sofawange, in die Weite. Ihre Arme hat sie angewinkelt unter den Kopf gelegt. Sieht sie etwas vor sich oder träumt sie in die Ferne, wie der auf der Papierrückseite überlieferte Titel »Träumerin« suggeriert? Oder handelt es sich bei der Dargestellten um ein erkranktes Mädchen, wie einer der vergebenen Titel für die Arbeit nahelegt?

Die oben rechts im Bild angebrachten Signatur und Datierung in Bleistift dürfte die Ausrichtung der Zeichnung als Hochformat, also um 90° Grad gedreht, für die 25. Auktion des Stuttgarter Kunstkabinetts, wo die Papierarbeit als Nr. 291 am 27.11.1956 zum Verkauf angeboten wurde, vorgegeben haben. Die Erfurter Sammlergattin Tekla Hess (1884–1968) ist gemäß freundlicher Auskunft vom Wichtracher Archiv Stuttgarter Kunstkabinett Roman Norbert Ketterer als Einliefererin von dem in der Auktion als »Krankes Mädchen« betitelten Tusche- und Bleistiftzeichnung dokumentiert. Damit konnte der anfängliche Verdacht, es könnte sich bei dieser Arbeit möglicherweise um NS-Raubkunst handeln, entkräftigt werden. Der verso überlieferte Stempelabdruck eines Löwens in Grün, der für die Kennzeichnung der Sammlung Alfred Hess (1879–1931) bis zu seinem Tod 1931 verwendet wurde, hatte zu Projektbeginn konkreten Anlass für die objektbezogene Herkunftsrecherche für den Zeitraum von 1933 bis 1945 gegeben. Denn nachweislich wurden Alfreds Sohn, Hans Hess (1908–1975), der Erbe der Sammlung war , ebenso wie die erwähnte Tekla Hess, die zeitlebens als Verwalterin der umfangreichen Kunstsammlung agierte, als jüdisch deklariert und durch das NS-Regime verfolgt. In Folge ihrer Flucht wurden viele Kunstgegenstände durch das Deutsche Reich entzogen. Gemäß einer Aussage von Hans gelang es der Familie aber, einige Kunstgegenstände zu retten , wie wohl auch diese Zeichnung, die Tekla dann 1956, als sie bereits mehrere Jahre in York, in Großbritannien ansässig war, über das Stuttgarter Kunstkabinett an Buchheim verkauft.

Als Desiderat über die objektbezogene Provenienzrecherche hinaus, wäre es mit Blick auf eine Sammlungsrekonstruktion der umfangreichen Kunstsammlung Alfred Hess, die mehr als 4.000 Objekte umfasst haben soll, interessant, eine Übersicht zu schaffen und die verso angebrachten Beschriftungen zu vergleichen. Denn nicht nur auf dieser Blattrückseite, sondern auch auf zwei anderen Zeichnungen von Erich Heckel aus der Sammlung Hess (vgl. Inv. 1.00033a/b, Inv. 1.00046), ist neben dem Sammlerstempel eine dreistellige Zahl und ein Titel in Bleistift überliefert. Es könnte sich dabei um eine laufende Inventarnummer handeln, die schon zu Lebzeiten von Alfred angebracht worden ist, da sie in direkter örtlicher Beziehung zu seinem Stempel steht und es gemäß der Recherchen von Christina Feilchenfeldt und Peter Romilly ein Inventar bis zur Katalog-Nummer 4075 auch gegeben haben soll.

Eine Ausstellungshistorie für das Blatt, das unter verschiedenen beschreibenden Titeln geführt wurde, konnte erst mit Übergang in die Sammlung des Ehepaars Buchheim werkbezogen erarbeitet werden. Informationen zur Datierung für die Verwendung des Sammlerstempels konnte von uns in der bisher erschienen Sekundärliteratur über die Sammlung Alfred Hess nicht gefunden werden. Es darf jedoch angenommen werden, dass diese noch zu Lebzeiten des Sammlers, d. h. vor seinem Tod am 24.12.1931, angebracht wurde.

Die Provenienz von 1933 bis 1945 konnte auf Basis der vorliegenden Informationen somit nur vage rekonstruiert werden, da ungesichert bleibt, seit wann sich die Papierarbeit im Eigentum der Familie Hess befand. Es ist aufgrund der Genese der Sammlung jedoch davon auszugehen, dass der Erwerb vor 1932, also noch zu Lebzeiten von Alfred Hess zu datieren ist. Hinweise auf einen NS-verfolgungsbedingten Entzug gibt es auf Basis der konsultierten Quellen nicht. Die Herkunft kann bei Gelegenheit weiter erforscht werden. Wir danken für entsprechend Hinweise.

JL

26.04.2024

Beschriftungen

rekto o. r. signiert und datiert (in Bleistift): ErichHeckel / 13
verso u. l. Nass-Stempel (in Grün): [Löwe] [L.2796a]
verso u. l. betitelt (in Bleistift): 931. Träumerin
verso o. r. beschriftet (in Bleistift, ausradiert): [...]
verso o. r. beschriftet (in Bleistift): 291

Provenienz

[...]
o. D.: Alfred Hess (1879–1931), Erfurt
1932–27.11.1956 [im Sinne der Eigentümerschaft]: Hans Hess (1908–1975), Berlin, London, York, Leicester, erworben im Erbgang
27.11.1956: Stuttgarter Kunstkabinett, Stuttgart, 25. Auktion, Nr. 291, eingeliefert von Tekla Hess, York (Auftraggeber-Nr. 49) im Auftrag von Hans Hess, York [im Sinne der Eigentümerschaft]
27.11.1956–22.02.2007: Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing, erworben im Stuttgarter Kunstkabinett, Stuttgart, 25. Auktion
seit 22.02.2007: Buchheim Stiftung, Feldafing/Bernried, erworben im Erbgang von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und in konkludenter Schenkung von Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing

JL

26.04.2024

Sammlung Buchheim

Ausstellungen

ERICH HECKEL. EINFÜHLUNG UND AUSDRUCK, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See, 31.10.2020/09.03.2021–06.06.2021/20.06.2021

EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM, Haus der Kunst, München, 29.07.1998–18.10.1998

EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM. ARBEITEN AUF PAPIER, Ulmer Museum, Ulm, 10.09.1989–15.10.1989

Literatur

ERICH HECKEL. EINFÜHLUNG UND AUSDRUCK, hrsg. v. Daniel J. Schreiber, m. Texten von Felix Billeter, Cosima Dollansky, Andreas Gabelmann, Hans Geissler, Hermann Gerlinger, Angelika Grepmair-Müller, Andreas Hüneke, Claudia Leonore Kreile, Christian Rathke, Daniel J. Schreiber, Heinz Spielmann, Corinna Thamke, Ausst.-Kat. Buchheim Museum, Bernried (31.10.2020–07.03.2021), Bernried: Buchheim Verlag, 2020, Abb. S. 219

EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM, hrsg. i. Auftrag der »Freunde des Buchheim-Museums und der Buchheim Stiftung e. V.«, m. Texten von Christoph Vitali, Carla Schulz-Hoffmann, Hans Krieger, Clelia Segieth, Lothar-Günther Buchheim, Ellen Maurer, Ausst.-Kat. Haus der Kunst, München (29.07.–18.10.1998), Feldafing: Buchheim Verlag, 1998, Kat. Nr. 81 (ohne Abb.)

EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM. ARBEITEN AUF PAPIER, Ausst.-Kat. Ulmer Museum, Feldafing: Buchheim Verlag, 1989, Kat. Nr. 99 (ohne Abb.)

25. KUNSTAUKTION MODERNE KUNST. GEMÄLDE, HANDZEICHNUNGEN, GRAPHIK, PLASTIK, Stuttgarter Kunstkabinett Roman Norbert Ketterer, Stuttgart (27.–28.11.1956), Kat. Nr. 291, Erw. S. 37

Weitere Werke