Großstadt

Rudolf Heinisch

1924

Tusche und Öl auf Sperrholz

Bildmaß 152,7 x 54,4 cm
Rahmenmaß 161,5 x 63,0 x 3,0 cm


Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See


Inventarnummer: 0.00330

Malerei, Tusche, Ölfarben

Ort: Europa, Deutschland, Hessen, Frankfurt am Main


Sammlungsbereich: Gemälde

Künstler/in: Rudolf Heinisch


© Philipp Heinisch; Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg
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Beschreibung

Das langgestreckte hochformatige Bild von Rudolf Heinisch (1896–1956) mit dem Titel »Großstadt«, das 1924 entstanden ist, ist keine übliche Darstellung einer Metropole. Wie durch drei konkav gebogene Linsen sind Straßen, Häuser, Brücken und Lampen zu sehen, die in Splitterstücken auszugshaft nebeneinander bzw. übereinander angeordnet sind. Für seine Interpretation einer Großstadt nutzt Heinisch schwarze Tusche, die er über Farbflächen in Rot, Grün, Blau und Gelb setzt, die mit Ölfarbe gemalt sind. Das Gelb wirkt dabei wie ein Scheinwerferlicht, das insbesondere das Bildzentrum und den oberen Teil des Bildes beleuchtet.

Die »Großstadt« ging als Schenkung der Ehefrau des Künstlers im Sommer 2000 in den Sammlungsbestand des Buchheim Museums ein. Den Recherchen nach ist bisher nur eine Ausstellungsteilnahme für das Bild vom 26.06. bis 12.07.1987 im Rathaus Gauting bekannt. Eine umfangreiche Literaturrecherche erbrachte keine ergänzenden Erkenntnisse in Bezug auf Ausstellungsteilnahmen oder eventuelle Vorbesitzer bzw. -eigentümer. Erst im Rahmen einer Rückseitenautopsie wurden Hinweise gefunden, die einen eventuellen bzw. temporären Eigentümerwechsel oder die Absicht eines Besitzerwechsels belegen könnten. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus einer umseitig angebrachten Beschriftung in Bleistift: »Herrn Generalmusikdirektor / Hermann Scherchen / Hotel Excelsior / Bahnhofsplatz«. Ebenso findet sich auf der Rückseite die Signatur des Künstlers, der Werktitel sowie das Entstehungsjahr. Diese Angaben werden ergänzt durch eine Anschrift, die vermutlich den Entstehungsort des Bildes in Frankfurt am Main in der Karmelitergasse 5 belegt. Aus diesen beiden Hinweisen ergaben sich Fragestellungen für die Forschung in Bezug auf eine mögliche Beziehungsebene zwischen dem Künstler und dem umseitig dokumentierten Generalmusikdirektor Hermann Scherchen (1891–1966) sowie den Verbleib des Bildes im Künstlernachlass.

Wir danken dem Nachfahren des Künstlers für die bestätigende Auskunft, dass Rudolf Heinisch verlässlich Buch über seine Verkäufe geführt hat und Hermann Scherchen darin namentlich als Käufer nicht dokumentiert ist. So kann es sich im Falle eines Besitzerwechsels von Heinisch zu Scherchen nur um eine temporäre Leihgabe oder ein Geschenk gehandelt haben, das später seinen Weg zurück in das Eigentum bzw. Nachlass des Künstlers fand.

Durch den in der Widmung bzw. der Empfängeradresse dokumentierten Titel »Generalmusikdirektor« für den Musiker und Dirigenten Scherchen auf der Bildrückseite als konnte im Abgleich mit biografischen Recherchen zu Scherchen eine Datierung für die Beschriftung als »früh. 1929« rekonstruiert werden, da Scherchen in dem Jahr zum Generalmusikdirektor von Königsberg ernannt wird. Eine Biografie zu Scherchen ist separat erarbeitet worden. Eine Bekanntschaft, wenn nicht Freundschaft zwischen Scherchen und Heinisch ist über mehrere Quellen belegt. Beide waren 1924/25 unter der auf der Rückseite des Bildes überlieferten Anschrift Karmelitergasse 5 in Frankfurt gemeldet. Ein vom Nachfahren Heinisch freundlich bereitgestellter Zeitungsartikel von 1927 zum Musikfest in Donaueschingen belegt die anhand der Meldedaten angenommene Bekanntschaft zwischen dem Musiker Scherchen und dem Maler Heinisch, der sich sehr für Musik interessierte. Die Art wie Scherchen in einem Brief am 22. Juli 1926 aus Donaueschingen an seine Frau Auguste Maria, geb. Jansen, (1898–unbekannt), über Heinisch schreibt, spricht sogar für eine Freundschaft der beiden: »Hier ist heute Heinisch angekommen; der Junge hat sich fabelhaft rausgemacht in Italien: er ist direkt schön geworden.«
Gesichert ist, dass der Musiker Scherchen am 13.11.1926 nach Berlin-Halensee zieht und nicht bis zu seiner Ernennung zum Generalmusikdirektor in Frankfurt wohnhaft bleibt. Auch konnte das Frankfurter Hotel Excelisor aufgrund der Adressangabe als mögliche Logie-Anschrift für Scherchen ausgeschlossen werden. Die überlieferten Archivalien des Landesarchivs Berlin erteilen keine Auskunft darüber, ob Rudolf Heinisch und Hermann Scherchen im örtlichen Berliner Hotel Excelsior gelebt haben. Hotel- und Pensionsmeldezettel haben sich in Berlin nicht erhalten. Jedoch bestätigt eine Korrespondenzakte zwischen der Deutschen Oper Berlin (Egon Seefehlner, 1912–1997) und Hermann Scherchen aus dem Jahr 1965, dass dieser in dem Jahr während seines Engagements häufig in Hotels residierte.

Im Rahmen der Recherchen konnte der Kontext, der zu der umseitig angebrachten Beschriftung mit Hermann Scherchens Namen geführt hat, nicht abschließend geklärt werden. Klar wurde jedoch, dass der Künstler und der Genannte in freundschaftlichem Verhältnis zueinanderstanden. Ob es 1929 oder zu einem späteren Zeitpunkt zu einem tatsächlichen Transfer des Eigentums kam, konnte nicht abschließend geklärt werden. So schließen die Provenienzrecherchen für die »Großstadt« mit einer lückenhaften Provenienz. Die Forschung muss fortgesetzt werden. Wir freuen uns über entsprechende Hinweise.

JL

18.11.2021

Beschriftungen

rekto o. l. signiert (in schwarzer Farbe): W H R
verso o. l. Klebeetikett (in schwarzem Filzstift beschriftet): 40
verso o. l. Klebeetikett): [Fragment]
verso o. m. signiert, betitelt und datiert (in schwarzer Farbe): R. Heinisch / Ffmain Karmelitergasse 5 / Großstadt [unterstrichen] / 1924
verso o. m. beschriftet (in schwarzem Filzstift): 153 x 55 / Öl auf Sperrholz
verso u. m. gewidmet (in Bleistift): Herrn Generalmusikdirektor / Hermann Scherchen, / Hotel Excelsior [unterstrichen] / Bahnhofsplatz
Rahmen verso o. r. beschriftet (in Schwarz): 0.00330

Provenienz

o. D.–mind. 1929: vmtl. im Besitz des Künstlers
früh. 1929–o. D.: evtl. Hermann Scherchen (1891–1966), Hotel Excelsior, Bahnhofsplatz, Berlin (?) (ungesichert, ob überhaupt ein Besitzerwechsel stattfindet)
o. D.–2000: Erika Heinisch (1910–2005), Gauting, Ehefrau des Künstlers
seit Sommer 2000: Buchheim Stiftung, Feldafing/Bernried, erworben durch Schenkung aus dem Nachlass des Künstlers

JL

18.11.2021

Hermann Scherchen

Ausstellungen

RUDOLF W. HEINISCH, Rathaus der Gemeinde Gauting, Gauting, 26.06.1987–12.07.1987

Literatur

RUDOLF W. HEINISCH, Ausst.-Kat. Rathaus Gauting (26.06.–12.07.1987), Kat. Nr. 4