Sammlung Beindorff


Fritz Beindorff (1860–1944) kommt als eins von sechs Kinder in Essen zur Welt. Sein Vater, der im Bergbau arbeitet, verstirbt einige Jahre nach seiner Geburt. Großmutter und Mutter sind prägend für Beindorffs Leben, insbesondere für seine schulische Ausbildung auf einer Oberrealschule in Düsseldorf. Nach einer kaufmännischen Ausbildung in Köln und Brüssel tritt Beindorff seine erste Festanstellung in einer Schreibwarenhandlung in Hagen an. 1881 beginnt er für die Farben- und Tintenfabrik Günther Wagner aus Hannover als Auslandsreisender tätig zu werden, weswegen er nach Italien, das damalige Russland, Belgien und Skandinavien reist. Sein beruflicher Einsatz führt zu Erfolgen, die nicht nur unternehmensintern wahrgenommen werden. Nachdem Beindorff eine gute Anstellung von einem Konkurrenzunternehmen in Berlin angeboten wird, gelingt es Firmengründer Günther Wagner (1842–1896) ihn durch eine Erhöhung des Gehaltes und eine Beförderung zum Prokuristen in der Firma zu halten. 1888 heiraten Beindorff und Elli Wagner (Lebensdaten unbekannt), Tochter von Günther Wagner. Im gleichen Jahr steigt Beindorff in die Geschäftsleitung auf und wird Teilhaber der Firma. 1895, mit nur 35 Jahren, wird er Alleininhaber der Pelikan-Werke. Zwischen 1890 und 1902 bekommt das Paar fünf Kinder, die später alle als Gesellschafter Einfluss auf die Unternehmensführung haben. Insbesondere für den namensgleichen zweiten Sohn, Fritz (1891–1938), als auch für Beindorffs späteren Schwiegersohn Hermann Bode (1882–1973), einem Zahnarzt, der Ilse, das vierte Kind der Beindorffs heiratet, ist überliefert, dass sie das Interesse an Kunst und die Sammelleidenschaft Beindorffs unterstützen und durch eigene Sammelschwerpunkte beeinflussen. Die Historikerin Annemone Christians weist in ihrer Pilotstudie zu Fritz Beindorff Senior und seiner Rolle im Nationalsozialismus als Inhaber der Günther Wagner Pelikan-Werke darauf hin, dass unter Beindorffs Führung Kunst und Künstler auf neue Weise gestalterisch in die Unternehmensstrategie eingebunden werden. Zum einen veranstaltet er Künstlerwettbewerbe mit hohen Preisgeldern für Werbeplakate, für die die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler ausschließlich Produkte der Pelikan-Werke benutzen dürfen. Hierfür gewinnt er als Juroren in den Jahren 1911 und 1913 die zeitgenössischen Kunst- und Kulturgrößen Max Liebermann (1847–1935) und Hugo von Tschudi (1851–1911). Zum anderen bringt er die Zeitschrift »Der Pelikan« heraus, die sich der Kunsterziehung widmet. Die Titelblattgestaltung wird von dem Grafiker Emil-Werner Baule (1870–1953) übernommen. Die im Rahmen der Wettbewerbe eingereichten Werke bieten den Grundstock der Firmensammlung, die durch systematische Ankäufe ergänzt und über Jahre hinweg ausgebaut wird. Der Kunsthistoriker Gunther Thiem beziffert die Ankaufsgruppe, die im Rahmen des Wettbewerbes 1913 erworben wird, auf 251 Gemälde. Laut seinen Recherchen erlebt die Sammlung Beindorff bzw. Pelikan-Kunstsammlung einen wesentlichen Zuwachs in den dreißiger Jahren durch Erwerbungen von Werken Alter Meister, wie Lucas Cranachs »Venus und Armor«, um 1525, und die Bildnissen von Martin Luther und seiner Frau von 1518. Darüber hinaus erwirbt Beindorff Gemälde holländischer und flämischer Künstler. Ab Mitte der dreißiger Jahre ergänzt er gemäß Angaben eines Ausstellungskataloges der Sammlung von 1963 den Bestand um Werke von zeitgenössischen Künstlern wie Christian Rohlfs (1849–1938), Franz Marc (1880–1916), August Macke (1887–1914), Erich Heckel (1883–1970) oder auch Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976), was laut Thiem vor allem auf das Wirken von Fritz Beindorff Junior, der ab 1920 Vorstand der Kestner-Gesellschaft ist , zurückzuführen ist. Beindorff Senior seinerseits ist 1916 Mitgründer der Kestner-Gesellschaft. Auch privat sammelt er Kunst. Sein Sohn Fritz Beindorff Junior ebenfalls. Die Familie Beindorff folgt damit einem Trend, der mit Beginn des 20. Jahrhunderts zu den allgemein wirtschaftsbürgerlichen Repräsentations- und Sozialpraktiken gehört.

Nach schwerer Demenz verstirbt Fritz Beindorff Senior am 02.06.1944 auf seinem Landsitz, dem Gut Auermühle, bei Celle.

JL

30.09.2024

Weitere Sammlungen & Kunsthändler