Provenienzprojekt Dix & Pechstein. Der Erste Weltkrieg in Bildern
01.07.–31.10.2018 (in 50% Teilzeit)
Vorbereitend für die Ausstellung DIX & PECHSTEIN. DER ERSTE WELTKRIEG IN BILDERN (09.11.–24.03.2018) wurde das namensgleiche kurzfristige Forschungsprojekt durchgeführt. Forschungsgegenstand waren zwei Bildzyklen, in denen sich Otto Dix (1891–1969) und Max Pechstein (1881–1955) mit dem Ersten Weltkrieg auseinandergesetzt haben. Dabei handelte es sich zum einen um die druckgrafische Mappe »Der Krieg« von Otto Dix, Exemplar Nr. 41/70 und zum anderen um 25 Aquarelle von Max Pechstein zur »Sommeschlacht«, deren Herkunft zu Forschungsbeginn unbekannt war. In der Ausstellung wurden sie im Dialog mit Frühwerken von Lothar-Günther Buchheim gezeigt.
Lothar-Günther Buchheims Sohn, Yves Buchheim (geb. 1949), erinnerte sich in seiner autobiografisch geprägten Publikation BUCHHEIM. KÜNSTLER, SAMMLER, DESPOT: DAS LEBEN MEINES VATERS, die im Frühjahr 2018 erschienen war, an einen gemeinsamen Besuch als Jugendlicher bei Cornelius Gurlitt (1932–2014), dem Sohn des Kunsthändlers Hildebrandt Gurlitt (1895–1956), und den damaligen Erwerb des Mappenwerks »Der Krieg«. Da Hildebrandt Gurlitt einer der Verwerter von durch die nationalsozialistischen Behörden beschlagnahmten Werken gewesen war, bestand der begründete Verdacht, dass es sich bei der Mappe um NS-verfolgungsbedingt entzogenes Eigentum handeln könne. Um dies zu klären, sollte Yves Erinnerungsmoment daher insbesondere durch Quellenrecherchen im Nachlass Gurlitt im Bundesarchiv Koblenz sowie im Nachlass Otto Dix im Deutschen Kunstarchiv nachgegangen werden.
Für die Provenienzforschung waren folgende Fragestellungen wegweisend: Wer hatte das Mappenwerk mit der Auflagennummer 41/70 nach dem Erscheinen 1924 erworben? Hatte es weitere Eigentums- bzw. Besitzerwechsel gegeben, bis zum Zeitpunkt als Buchheim es erworben hat? War Hildebrandt Gurlitt einmal Eigentümer dieses Mappenexemplars? Und kann man den Erwerb für die Sammlung Buchheim datieren?
Im Ergebnis konnte Yves Buchheims Erinnerung an einen Erwerb der Kriegsmappe bei Cornelius Gurlitt auch durch intensive Quellenrecherchen weder be- noch widerlegt werden. Der Name »Buchheim« taucht im Nachlass der Familie Gurlitt am Bundesarchiv Koblenz (Bestand N 1826) in keinem Erwerbskontext auf. Dem Buchheim Museum gehörten bis 2017 jedoch zwei Exemplare des Radierzyklus »Der Krieg«. So könnte es sich bei der Erwerbung, an die sich Yves Buchheim erinnert, auch um das unnummerierte Exemplar handeln, das 2015 im Auftrag des Buchheim Museums im Auktionshaus Neumeister angeboten und 2017 bei Christie’s London veräußert wurde. Möglich ist auch, dass Buchheim noch weitere Exemplare der Kriegsmappe besessen und im Laufe seines Lebens veräußert hat. Es konnten bisher keine Rechnungsunterlagen für eine Kriegsmappe in dem Privatarchiv der Eheleute Buchheim gefunden werden.
Obwohl kein Verdachtsmoment für Max Pechsteins »Sommeschlacht« vorlag, sollte auch die Herkunft dieser Serie untersucht werden. Von großer Relevanz für die erfolgreiche Rekonstruktion des Erwerbszeitpunktes waren die internen Quellenrecherchen, bei denen erstmalig die bis dato nur begrenzt zugänglichen annotierten Auktionskataloge aus der Bibliothek der Eheleute Buchheim auf mögliche Werkübereinstimmungen hin überprüft wurden. So konnte festgestellt werden, dass Buchheim alle 25 Aquarelle als Los-Nr. 1408 beim Auktionshaus Weinmüller in München im Freiverkauf der Auktion 89 vom 18./19.03.1964 erworben hatte. Der Name des in den Geschäftsunterlagen des Auktionshauses ohne Angabe eines Wohnortes dokumentierten Einlieferers »Frank« konnte trotz umfassender Recherchen jedoch nicht eindeutig identifiziert werden.
Trotz tiefergehender Provenienzrecherchen zu beiden Werkgruppen mit besonderem Rechercheschwerpunkt auf der Besitzfrage zwischen 1933 und 1945 schlossen die Recherchen mit Provenienzlücken. Die Herkunft beider Bildzyklen konnte nicht abschließend geklärt werden. Es erfolgte dennoch keine Meldung an die »Lost Art«-Datenbank des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, da nach aktuellem Forschungsstand kein hinreichender Verdacht auf NS-Raubkunst besteht. Beide Werkgruppen wurden mit der Ampelfarbe »gelb« als »nicht eindeutig geklärt« gekennzeichnet.
Die aus dem kurzfristigen Projekt gewonnenen werk- und serienbezogenen Erkenntnisse im Bereich NS-Raubkunst wurden ab Oktober 2019 ergänzend über die damals neu ins Leben gerufenen Sammlung Online transparent und weltweit veröffentlicht. Wir freuen uns über weiterführende Hinweise aus der Öffentlichkeit.