Kunsthandel Bernhard A. Böhmer
Foto: Walter Block, Güstrow; Ernst Barlach Stiftung Güstrow
Der 1892 in Ahlen geborene Bernhard Aloysius Böhmer (1892–1945) zeigt früh künstlerische Begabung. So absolviert er ein Studium mit den Scherpunkten Malerei und Bildhauerei an der Staatlich-Städtischen Handwerker- und Kunstgewerbeschule in Bielefeld. Gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau Margarete Graeber, genannt Marga (1887–1969), die ebenfalls an der Bielefelder Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bildhauerei studiert hat, zieht er 1924 nach Güstrow. Dort lernen sie den Bildhauer Ernst Barlach (1870–1938) kennen – eine Beziehung erwächst, die lebensprägend für beide wird. Barlach ist regelmäßiger Gast in ihrem Haus und Böhmer beginnt, dem Bildhauer im Atelier zu helfen. Ab 1926 übernimmt Böhmer die Vertretung von Barlachs künstlerischen Interessen und löst damit den Kunsthändler Paul Cassirer (1870–1926) ab. Nach Bernhard und Marga Böhmers Scheidung 1927 lebt diese mit Barlach bis zu seinem Tod 1938 zusammen. Auch nach Böhmers zweiter Heirat 1931 mit der wohlhabenden Rostocker Fabrikanten-Tochter Hella Otte (1905–1945) pflegt Böhmer eine freundschaftliche Beziehung mit Barlach und seiner geschiedenen Frau. Aus der zweiten Ehe Böhmers geht ein Sohn hervor: Peter (1932–2007).
Obwohl Böhmer kein Mitglied der NSDAP und der Reichskammer für bildende Künste ist, profitiert er von der »Machtübernahme« der Nationalsozialisten in den kommenden Jahren enorm. Gleichzeitig gelingt es ihm, durch seine Beziehung zum Geschäftsführer der Reichskulturkammer Hans Hinkel (1901–1960) zahlreiche Werke Barlachs, der bereits 1934 diffamiert wird, vor weiterer Zerstörung und Diskreditierung zu schützen. Nach dem Tod Barlachs übernimmt Böhmer die Geschäftsleitung des neu gegründeten Barlach-Gremiums. Wohl auf Grund seiner Verbindung zur Reichskulturkammer erhält er neben den Kunsthändlern Hildebrand Gurlitt (1895–1956), Karl Buchholz (1901–1992) und Ferdinand Möller (1882–1956) den Auftrag, die aus den Depots der staatlichen Museen konfiszierte »entartete Kunst« zu »verwerten«. Durch den Verkauf zahlloser Kunstwerke zwischen 1938 und 1941 im In- und Ausland sowie Tauschgeschäfte mit Gemälden Alter Meister zieht Böhmer auch persönliche finanzielle Vorteile. Bei der Auktion der Galerie Fischer in Luzern 1939 ersteigert er zahlreiche Werke und erwirbt im Anschluss an die Auktion auch unverkaufte Lose. Bis zu seinem und Hellas Selbstmord im Mai 1945 gelangen auf diese Weise mehrere Tausend Kunstwerke in seinen Besitz.
Bis heute sind keine Geschäftsunterlagen aus dem Nachlass Böhmers bekannt. Die Provenienzforscherin Meike Hoffmann geht sogar davon aus, dass Böhmer bewusst auf das Festhalten seiner Transaktionen verzichtet oder diese vernichtet hat. Umso wichtiger ist daher die sogenannte »Harry-Fischer-Liste« – eine vollständige Abschrift eines fragmentarisch erhaltenen Inventars der von den Nationalsozialisten aus Deutschen Museen und Kunstsammlungen beschlagnahmten Kunstwerke mit Angaben der sogenannten EK-Nummern und der jeweiligen »Verwerter«.
Böhmers noch unmündiger Sohn Peter erbt Werke unterschiedlichster Provenienz: Neben Arbeiten von Ernst Barlach befinden sich darunter Objekte aus enteignetem Privatbesitz, Privatleihgaben, in Museen konfiszierte Objekte sowie jene, die Böhmer in Luzern erworben hatte. Peters Tante Wilma Zelck (geb. Otte, 1912–1962) übernimmt nach dem Tod der Eltern seine Vormundschaft. Bereits 1945 werden die ersten Werke aus dem Nachlass veräußert, um, laut Zelck, die Erbschaftssteuer in Höhe von RM 40.000 zu begleichen. 1947 werden ca. 1.000 Objekte aus dem Böhmer-Nachlass aus der Aktion »Entartete Kunst« von Kurt Reutti (1900–1967) in seiner Funktion als Mitarbeiter der »Zentralstelle zur Erfassung und Pflege von Kunstwerken« im Auftrag der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland sichergestellt und in das Depot des Rostocker Museums überführt. Mit der Veräußerung der im Erbe verbliebenen Werke beauftragt Zelck Albert Friedrich Daberkow (1912–1969), der bis 1952 Kunstwerke gewinnbringend an Museen, Privatpersonen, auch frühere Besitzer, Zwischenhändler, Galerien und Auktionshäuser verkauft, wie ab April 1949 dem Stuttgarter Kunstkabinett. Im Rahmen eines Forschungsprojektes, angeregt durch das Kunsthistorische Museum Rostock aufgrund des dort befindlichen künstlerischen Nachlasses Böhmers, kann der im Besitz des Sohnes Peter Böhmer verbliebene schriftliche Nachlass – Briefe, die im Rahmen der Erbregelung geschrieben wurden – von der Forschungsstelle »Entartete Kunst« an der FU-Berlin erstmalig aufgearbeitet werden. Die Ergebnisse werden 2010 als Buch publiziert.
JL + CD
23.02.21
Obwohl Böhmer kein Mitglied der NSDAP und der Reichskammer für bildende Künste ist, profitiert er von der »Machtübernahme« der Nationalsozialisten in den kommenden Jahren enorm. Gleichzeitig gelingt es ihm, durch seine Beziehung zum Geschäftsführer der Reichskulturkammer Hans Hinkel (1901–1960) zahlreiche Werke Barlachs, der bereits 1934 diffamiert wird, vor weiterer Zerstörung und Diskreditierung zu schützen. Nach dem Tod Barlachs übernimmt Böhmer die Geschäftsleitung des neu gegründeten Barlach-Gremiums. Wohl auf Grund seiner Verbindung zur Reichskulturkammer erhält er neben den Kunsthändlern Hildebrand Gurlitt (1895–1956), Karl Buchholz (1901–1992) und Ferdinand Möller (1882–1956) den Auftrag, die aus den Depots der staatlichen Museen konfiszierte »entartete Kunst« zu »verwerten«. Durch den Verkauf zahlloser Kunstwerke zwischen 1938 und 1941 im In- und Ausland sowie Tauschgeschäfte mit Gemälden Alter Meister zieht Böhmer auch persönliche finanzielle Vorteile. Bei der Auktion der Galerie Fischer in Luzern 1939 ersteigert er zahlreiche Werke und erwirbt im Anschluss an die Auktion auch unverkaufte Lose. Bis zu seinem und Hellas Selbstmord im Mai 1945 gelangen auf diese Weise mehrere Tausend Kunstwerke in seinen Besitz.
Bis heute sind keine Geschäftsunterlagen aus dem Nachlass Böhmers bekannt. Die Provenienzforscherin Meike Hoffmann geht sogar davon aus, dass Böhmer bewusst auf das Festhalten seiner Transaktionen verzichtet oder diese vernichtet hat. Umso wichtiger ist daher die sogenannte »Harry-Fischer-Liste« – eine vollständige Abschrift eines fragmentarisch erhaltenen Inventars der von den Nationalsozialisten aus Deutschen Museen und Kunstsammlungen beschlagnahmten Kunstwerke mit Angaben der sogenannten EK-Nummern und der jeweiligen »Verwerter«.
Böhmers noch unmündiger Sohn Peter erbt Werke unterschiedlichster Provenienz: Neben Arbeiten von Ernst Barlach befinden sich darunter Objekte aus enteignetem Privatbesitz, Privatleihgaben, in Museen konfiszierte Objekte sowie jene, die Böhmer in Luzern erworben hatte. Peters Tante Wilma Zelck (geb. Otte, 1912–1962) übernimmt nach dem Tod der Eltern seine Vormundschaft. Bereits 1945 werden die ersten Werke aus dem Nachlass veräußert, um, laut Zelck, die Erbschaftssteuer in Höhe von RM 40.000 zu begleichen. 1947 werden ca. 1.000 Objekte aus dem Böhmer-Nachlass aus der Aktion »Entartete Kunst« von Kurt Reutti (1900–1967) in seiner Funktion als Mitarbeiter der »Zentralstelle zur Erfassung und Pflege von Kunstwerken« im Auftrag der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland sichergestellt und in das Depot des Rostocker Museums überführt. Mit der Veräußerung der im Erbe verbliebenen Werke beauftragt Zelck Albert Friedrich Daberkow (1912–1969), der bis 1952 Kunstwerke gewinnbringend an Museen, Privatpersonen, auch frühere Besitzer, Zwischenhändler, Galerien und Auktionshäuser verkauft, wie ab April 1949 dem Stuttgarter Kunstkabinett. Im Rahmen eines Forschungsprojektes, angeregt durch das Kunsthistorische Museum Rostock aufgrund des dort befindlichen künstlerischen Nachlasses Böhmers, kann der im Besitz des Sohnes Peter Böhmer verbliebene schriftliche Nachlass – Briefe, die im Rahmen der Erbregelung geschrieben wurden – von der Forschungsstelle »Entartete Kunst« an der FU-Berlin erstmalig aufgearbeitet werden. Die Ergebnisse werden 2010 als Buch publiziert.
JL + CD
23.02.21
Werke
Ausstellungen
UMSTRITTENE KUNST. GRAPHIK AUS DEM ERSTEN DRITTEL UNSERES JAHRHUNDERTS (REVOLUTIONÄRE GRAPHIK AUS DER ZEIT 1900 BIS 1933), Museum der Stadt Rostock, Rostock, 18.06.–16.07./10.08.1947DEUTSCHE GRAFIK DES XX. JAHRHUNDERTS: AQUARELLE, HANDZEICHNUNGEN UND DRUCKGRAFIK AUS DEN BESTÄNDEN DES MUSEUMS DER STADT ROSTOCK, Museum der Stadt Rostock, Rostock, 12.01.1958–20.01.1958
KUNST 20. JH. (SAMMLUNG BÖHMER), Kulturhistorisches Museum Rostock, Rostock, 04.03.2010–20.05.2010
AUS DER KUNSTSAMMLUNG (VERFEMTE KUNST–SAMMLUNG BÖHMER / KUNST IN MECKLENBURG), Kulturhistorisches Museum Rostock, Rostock, 28.10.2011–07.05.2017
CHRISTIAN ROHLFS. FALL DER FÄLLE. 1. AUSSTELLUNG DER AUSSTELLUNGSREIHE: ROSTOCKS KLASSISCHE MODERNE: »ENTARTETE KUNST« AUS DEM NACHLASS DES KUNSTHÄNDLERS BERNHARD A. BÖHMER, Kulturhistorisches Museum Rostock, Rostock, 09.06.2017–24.09.2017
GRAFIK. EINE FRAGE DER FORM. 2. AUSSTELLUNG DER AUSSTELLUNGSREIHE: ROSTOCKS KLASSISCHE MODERNE: »ENTARTETE KUNST« AUS DEM NACHLASS DES KUNSTHÄNDLERS BERNHARD A. BÖHMER, TEIL 1 VON ABBO BIS DE FIORI, Kulturhistorisches Museum Rostock, Rostock, 17.05.2019–16.06.2019
GRAFIK. EINE FRAGE DER FORM. 2. AUSSTELLUNG DER AUSSTELLUNGSREIHE: ROSTOCKS KLASSISCHE MODERNE: »ENTARTETE KUNST« AUS DEM NACHLASS DES KUNSTHÄNDLERS BERNHARD A. BÖHMER, TEIL 2 VON FRAAß BIS MEIDNER, Kulturhistorisches Museum Rostock, Rostock, 2020
Literatur
Meike Hoffmann (Hrsg.): EIN HÄNDLER »ENTARTETER« KUNST. BERNHARD A. BÖHMER UND SEIN NACHLASS, m. Texten v. Detlev Brunner, Dorothée Grafahrend, Meike Hoffmann, Andreas Hüneke, Wolf Karge, Susanna Koller, Harald König, Heidrun Lorenzen, Volker Probst, Frédérique Regírteos, Maike Steinkamp, Marie-Luise Tapfer, Berlin: Akademie-Verlag, 2010 (Schriften der Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Bd. 3)Susanne Knuth: CHRISTIAN ROHLFS 1849–1938. FALL DER FÄLLE. ROSTOCKS KLASSISCHE MODERNE: »ENTARTETE KUNST« AUS DEM NACHLASS DES KUNSTHÄNDLERS BERNHARD A. BÖHMER, Ausst.-Kat. Kulturhistorisches Museum Rostock (09.06.–24.09.2017) (Schriften des Kulturhistorischen Museums Rostock, Neue Folge, Bd. 17)
Susanne Knuth: GRAFIK: EINE FRAGE DER FORM. ROSTOCKS KLASSISCHE MODERNE: »ENTARTETE KUNST« AUS DEM NACHLASS DES KUNSTHÄNDLERS BERNHARD A. BÖHMER, Ausst.-Kat. Schaudepot der Kunsthalle der Hanse- und Universitätsstadt Rostock (2019–2022), 2019 (Schriften des Kulturhistorischen Museums Rostock, Neue Folge, Bd. 21)
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