Kunsthandel Henrich/Dr. Grosse


Wilhelm Henrich (1906–1980) beginnt Mitte der 1920er-Jahre eine Tätigkeit für die Kunsthandlung Mario Uzielli (1888–1973). Als Uzielli 1936 zusammen mit seiner Familie aufgrund rassischer Verfolgung durch das NS-Regime in die Schweiz emigriert, übernimmt sein Lehrling den Betrieb als sogenannter »Ariseur« am 01.07.1937. Henrich führt die Kunsthandlung bis in die 1960er-Jahre weiter. Den Recherchen von Maike Brüggen nach hat die Übernahme der Kunsthandlung auf freundschaftlicher Basis stattgefunden. Beide Männer standen in regelmäßigem Austausch und besuchten sich auch nach 1945 gegenseitig. Dennoch verweist Brüggen in ihrem Aufsatz zu Henrichs Tätigkeit als Kunsthändler darauf, dass er nicht nur als »Ariseur« der Kunsthandlung Uzielli durch das NS-Regimes profitierte, sondern auch durch seine Tätigkeit als »Verwerter« jüdischen Kulturguts für die Stadt Frankfurt am Main. Zu gleichem Rechercheergebnis kommt auch Horst Kessler in seinem Abschlussbericht zu den Projekt Kunstsammlungen und Museen Augsburg 2010/11.

Laut Gewerbeschein der Stadt Frankfurt am Main stellt Henrich den Betrieb seiner Firma Wilhelm Henrich Buch- und Kunsthandlung am 31.12.1977 ein und meldet diese am 05.02.1982 ab.

Brüggen konnte keine relevanten Dokumente (Ankaufsunterlagen/Geschäftsbücher) in öffentlichen Archiven finden, nach Angaben der Nachfahren sind alle Unterlagen von vor 1945 vernichtet worden.

Rudolph Grosse (unbekannt–1979) promoviert in Kunstgeschichte an der Universität Kiel im Jahr 1923. Ein Jahr später beginnt er nach eigener Aussage seine Tätigkeit als Kunsthändler. Er nennt sich selbst »Rolph« mit Vornamen und ist zunächst mit einer Geschäftsadresse in der Katharinenstraße 4, Berlin, ab 1937 dann in der Bellevuestraße 16–18 nachweisbar. Grosse »arisiert« 1937/38 die Kunsthandlung Paul Glaser, deren Eigentümer 1939 auswandert. Er ist auch als Zulieferer für den »Sonderauftrag Linz«, eine Adolf Hitler direkt unterstellte informelle Organisation, die für Hitlers geplantes Führermuseum in Linz einen Sammlungsbestand durch Erwerbungen und Beschlagnahmungen erhebt, tätig und während der Besatzungszeit als Händler in Frankreich aktiv. Die Alliierten stufen ihn als direkt am NS-Kunstraub-Beteiligten ein. In einem Brief vom 16.11.1947 gegenüber dem OMGUS (Amt der Militärregierung) gibt er als Anschrift noch die Berkaerstraße 30 in Berlin an.
Über eine Ancestry-Recherche lässt sich Grosse, als Kunsthistoriker eingetragen, in den amtlichen Adressbüchern der Stadt Frankfurt am Main und Umgebung ab spätestens 1955 bis mind. 1980 mit letzter Anschrift Bornwiesenweg 34 nachweisen. Laut Versteigerungsprotokoll ist er anwesend im Versteigerungshaus Hans W. Lange in Berlin am 6./7.12.1937, aber u. a. auch bei der Zwangsversteigerung der Sammlung Felix und Marie Busch im Versteigerungshaus Harms in Berlin am 12.11.1940. Ebenso taucht Grosse, eingestuft als »aktiv an Vermarktung von NS-Raubgut beteiligt« in der Gesamtübersicht der DZK-Projekte bis 2020 im Zusammenhang mit den Recherchen des Projektes LA17-I2011 auf. Im Projekt LA05-I2009 konnte festgestellt werden, dass Grosse 1943 das Gemälde von Cornelius Mahu, Stilleben mit Vögeln, an das Museum Wiesbaden {KVII209} verkaufte. Auch für dieses Bild konnte ein NS-verfolgungsbedingter Entzug nicht ausgeschlossen werden.

Nach heutigem Kenntnisstand ist über die gemeinsame Einlieferung von »Henrich/Dr. Grosse, Frankfurt am Main« von Erich Heckels »Frau und Kinder (Badende am Strand)«, Los 1176, in die 21. Auktion des Stuttgarter Kunstkabinetts 1955 hinaus nichts über eine geschäftliche Zusammenarbeit der beiden Kunsthändler bekannt.

JL

09.12.2021

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