Sammlung Erfurth



Foto: Hugo Erfurth (Ausschnitt); Abzug: Köln, Museum Ludwig, Sammlung Fotografie, Inv.-Nr. FH 01069; Reproduktion: Rheinisches Bildarchiv Köln, rba_d042046, https://museum-ludwig.kulturelles-erbe-koeln.de/documents/obj/05239210


Helene Marie Reuther (1877–unbekannt) und der Fotograf Wilhelm Berthold Hugo Erfurth (1874–1948) heiraten am 15.08.1898 in Dresden. Zwei Jahre zuvor hatte sich dieser in der Reißigerstraße 46 in Dresden mit einem ersten Fotoatelier selbstständig gemacht. 1906 zieht er in das Palais Lüttichau in der Zinzendorfstraße 11 um, das in »Lichtbildnerei Erfurth« umbenannt und 1922 um eine Galerie erweitert wird. Dort gehen nach Recherchen von Bodo von Dewitz (1950–2017) »Persönlichkeiten aus Kunst, Wissenschaft und Politik über Jahrzehnte ein und aus, um sich von dem renommierten Photographen portraitieren zu lassen.«

Das Ehepaar Erfurth hat drei Kinder, Wolfgang (1899–unbekannt), Gottfried (1900–1986) und Annemarie (1902–1972). Wolfgang lebt ab 1923 als gelernter Landwirt in Argentinien, während die beiden anderen Kinder das fotografische Handwerk erlernen und Hugo Erfurth im Atelier zeitweise unterstützen. Hugo Erfurths Frau Helene ist beliebtes Modell für seine Fotografien. 1934 siedelt die Familie nach Köln um. Die Gründe hierfür sind nicht eindeutig überliefert. Dort befindet sich Erfurths Atelier im sogenannten »Goldschmiedhaus« im fünften Stock im Domkloster 1. Nach heftigen Bombenangriffen 1943 und der fast vollständigen Zerstörung des Ateliers und der Wohnung ziehen die Erfurths nach Gaienhofen an den Bodensee, wo sie die Nähe zu den dort ebenfalls ansässigen befreundeten Künstlern Otto Dix (1891–1969) und Erich Heckel (1883–1970) suchen, wie sich Gottfried Erfurth in einem Interview 1977 erinnert. Hugo Erfurth verstirbt überraschend 1948 in seinem Atelier am Bodensee. Ein Sterbejahr für Helene Erfurth ist uns bisher nicht bekannt.

Als Einliefererin und damit Vorbesitzerin ist Helene Erfurth für die im Buchheim Museum befindliche Papierarbeit »Krankes Mädchen«, 1912 (Inv. 1.00044) zur 16. Auktion im Stuttgarter Kunstkabinett am 26.11.1952, Nr. 1476 dokumentiert. Auch für die Farblithografie »Die Schiffer rufen, 1906 – 1908« von Oskar Kokoschka für »Die träumenden Knaben«, Wien 1908, Blatt 3, das sich im Sammlungsbestand der Hamburger Kunsthalle befindet, ist sie als Vorbesitzerin überliefert. Aus ihrer Sammlung stammen auch zwei Gemälde von Oskar Kokoschka, die sich nachweislich 1950 noch in ihrem Besitz befinden. Auf dem einen ist Hugo Erfurths Schwiegermutter, Helenes Mutter, »Frau Reuther« porträtiert. Ursprünglich handelte es sich um die Sammlung des Ehepaars Erfurth. Ihre Genese beruht vermutlich auf Erfurths Schaffen sowohl als Fotograf und Porträtist vieler Künstler als auch als Kunsthändler. Im Graphischen Kabinett Hugo Erfurth, das er 1922 gründet, bietet er Druckgrafik und Zeichnungen zum Verkauf an. Zwischen 1922 und 1926 organisiert er regelmäßig Ausstellungen mit grafischen Werken von Künstlern der jüngeren und jüngsten Generation, oftmals Zeitgenossen, die er fotografisch porträtierte oder die er aus den Künstlerkreisen in seiner Umgebung kannte wie z. B. die Mitglieder der Dresdner Sezession – Gruppe 1919.

In ihrem Provenienzforschungsbericht von 2018 zu den Erwerbungen der Grafischen Sammlung des Museum Ludwig zwischen 1933 und 2015 weisen die Autoren darauf hin, dass Erfurth unter anderem aufgrund seines Umzuges von Dresden nach Köln 1934 gezwungen war, mehre Sammlungsgegenstände zu veräußern, was für die Herkunft von Zeichnungen von Heinrich Zille (1858-1929) aus dem Sammlungsbestand des Museum Ludwig werkrelevant ist. Weiterhin soll die Wirtschaftskrise ihn gemäß den Recherchen der Autoren auch zur Veräußerung seiner Sammlung moderner Grafik bereits vor 1933 bewegt haben.

Gründe für die Veräußerungen von mehreren Sammlungsgegenständen in den 1950er-Jahren durch Helene Erfurth, wie sie von den erwähnten beiden Gemälden von Kokoschka und auch für die Heckel-Zeichnung des Buchheim Museum überliefert sind, konnten im Rahmen des Forschungsprojektes bisher nicht eruiert werden.

JL

13.11.2023

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