Sammlung Kurt Gerron/Gerson



Foto: Ufa; DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum, Frankfurt


Kurt Gerron (1897–1944), eigtl. Kurt Gerson, wird als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Kaufmannspaars in Berlin geboren. Dort verbringt er den Großteil seines Lebens. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wird er als Frontsoldat eingezogen und schwer verletzt. Dadurch zwischenzeitlich als kriegsuntauglich eingestuft, beginnt er, Medizin zu studieren. Ende 1917 wird er für den Sanitätsdient erneut eingezogen. 1918 setzt er sein Studium fort, bevor er sich nach Ende des Weltkrieges der Schauspielerei zuwendet. Seine erste Filmrolle bekommt er 1920. Ein Jahr später tritt er als Kabarettist mit verschiedenen Ensembles auf. Gerron gelingt der schauspielerische Durchbruch als Sänger der Moritat zu Mackie Messer und in der Rolle des Polizeichefs Brown in Bertolt Brechts (1898–1956) DIE DREIGROSCHENOPER, vertont von Kurt Weill (1900–1950), unter der Regie von Erich Engel (1891–1966), die am 31. August 1928 uraufgeführt wird. Er ist 1930 neben Marlene Dietrich (1901–1992) und Emil Jannings (1884–1950) auch in dem Film DER BLAUE ENGEL zu sehen. Insgesamt spielt Gerron im Jahr 1930 in acht Tonfilmen mit. 1931 verschiebt er sein Interessens- und Tätigkeitsfeld auf die Filmregie. Im Auftrag der der UFA entstehen neun Filme unter seiner Regie, darunter auch Kurzfilme. Ende 1932 ist Gerron auf dem Höhepunkt seiner beruflichen Karriere. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und dem am 7. April 1933 erlassenen Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, kurz Berufsbeamtengesetz (BBG), das es den Nationalsozialisten erlaubt, »nicht-arische« Mitbürger und/oder politische Gegner des Regimes aus ihren Ämtern zu entlassen, verliert er nicht nur seine Anstellung als Regisseur, sondern wird aller seiner Verdienstmöglichkeiten beraubt.

Noch im April 1933 verlässt Kurt Gerron zusammen mit seiner Frau Olga (1896–1944), geb. Meyer, Deutschland und flieht nach Paris. Dort gelingt es ihm, in zwei Filmen Regie zu führen, er tritt sogar im Kabarett »Künstlerclub Paris – Wien« auf. Von Ende November 1934 bis Oktober 1935 lebt er mit seiner Frau mit kurzen Unterbrechungen in Wien. In Österreich spitzt sich die politische Situation für jüdische Flüchtlinge jedoch so zu, dass er im Oktober 1935 in die Niederlande geht. Dort lebt er einige Jahre mit seiner Frau und seinen Eltern zunächst in Scheveningen, einem Vorort von Den Haag, später dann in Amsterdam in der Frans van Mieristraat 78. Sein Regiedebüt in den Niederlanden gelingt ihm mit dem Kriminalfilm DAS GEHEIMNIS DER MONDSCHEINSONATE. Die Autoren Felsmann und Prümm weisen in ihrer Biografie über Gerron darauf hin, dass es nur den niederländischen Filmproduzenten zu verdanken gewesen sei, »daß die ausländischen Filmleute trotz der strengen Fremdengesetzte arbeiten durften«. Laut Bevölkerungsregister von Den Haag ist Kurt Gerson ab 1939 in den Niederlanden wohnhaft.

Den Angaben der Autoren Felsmann und Prümm nach wurde das Ehepaar Kurt Gerron und Olga Gerson am 22.09.1943 in das Zwischenlager Westerbork verschleppt. Eine Karteikarte des Nationaal Archiefs Amsterdam nennt das 15.12.1943 als Datum der Deportation. Beide wurden bereits wenige Monate später, am 26. 02. 1944, mit dem Transport XXIV/4 unter der Nummer 247 (Kurt Gerson) und 251 (Olga Gerson) ins KZ Theresienstadt deportiert. Hier zwingt man Gerron, THERESIENSTADT. EIN DOKUMENTARFILM AUS DEM JÜDISCHEN SIEDLUNGSGEBIET zu drehen, mit dem der Weltöffentlichkeit die vorgeblich angenehmen Lebensverhältnisse im Lager gezeigt werden sollen. In der Hoffnung, sich selbst und den am Film Mitwirkenden das Leben zu retten, willigt Gerron ein, das Drehbuch zu schreiben und Regie zu führen. Fast alle am Film beteiligten Lagerinsassen werden jedoch nach Beendigung der Dreharbeiten nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Anhand des Ausstellungskataloges und des korrespondierenden Leihverkehrs zur ZWEITEN AUSSTELLUNG NACHIMPRESSIONISTISCHER KUNST AUS BERLINER PRIVATBESITZ der National-Galerie, Berlin, im Juli 1928 ist Gerron als Leihgeber für zwei Gemälde, Max Kaus‘ »Selbstbildnis« von 1919 sowie »Frau und Früchte« von Erich Waske überliefert. Über weitere Sammlungsgegenstände ist bisher nichts bekannt. Auch bleibt ungeklärt, wo oder wann Gerron die o. g. Gemälde erwirbt oder wie lange diese in seinem Eigentum verbleiben.

JL

30.04.2021

Literatur

Nr. 98: Max Kaus, Selbstbildnis 1919, Besitzer: Kurt Gerron, Halensee Nr. 180: Erich Waske, Frau und Früchte, Besitzer: Kurt Gerron, Charlottenburg, in: ZWEITE AUSSTELLUNG NACH-IMPRESSIONISTISCHER KUNST AUS BERLINER PRIVATBESITZ, Ausst.-Kat. National-Galerie, Berlin (07/1928), Kat. 98, 180

Barbara Felsmann, Karl Prümm: KURT GERRON – GEFEIERT UND GEJAGT, 1897–1944. DAS SCHICKSAL EINES DEUTSCHEN UNTERHALTUNGSKÜNSTLERS. BERLIN, AMSTERDAM, THERESIENSTDAT, AUSCHWITZ, Berlin: Edition Hentrich, 1992

Charles Lewinsky: GERRON, München: Nagel & Kimche im Carl Hanser Verlag, 2011

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