Julius Seyler (1873–1955)



Fotograf/Fotografin unbekannt; Privatbesitz


Julius Seyler wird in München geboren. Sein Vater stirbt früh und der Bruder seiner Mutter, ein Bankdirektor, übernimmt die Vormundschaft. Ihm schwebt für seinen Neffen eine Offizierslaufbahn vor. Dabei war bereits im Gymnasium Seylers Zeichentalent aufgefallen, das sich unter anderem in Karikaturen seiner Lehrer zeigt. Außerdem ist er sehr musikalisch, spielt Klavier und Gitarre. Sein Tagebuch offenbart darüber hinaus eine große schriftstellerische Begabung. Doch nicht nur musische Talente schlummern in ihm. Er ist auch ein ausgezeichneter Schlittschuhläufer und wird mehrfach deutscher und europäischer Meister im Eisschnelllauf. Daneben feiert er im Rudersport Erfolge.

Seyler entscheidet sich für die Künstlerlaufbahn. Zum Sommersemester 1894 tritt er in die Malklasse von Wilhelm von Diez (1839–1907) an der Königlichen Akademie der bildenden Künste in München ein. Im Mai 1900 immatrikuliert er sich bei Ludwig von Herterich (1856–1932). Schließlich besucht er die Klasse von Heinrich von Zügel (1850–1941) und entdeckt durch ihn die Pleinair-Malerei. Mehrfach gewinnt Seyler Medaillen bei den Ausstellungen im Münchner Glaspalast.

1902/03 reist Seyler nach Flandern und entdeckt dort eines seiner Lebensthemen: die Fischer und Tangsammler am Strand. Bei seiner Rückkehr lässt er sich am Ammersee nieder und beginnt mit dem Segelsport. 1907 zeigt die Galerie Thannhauser erstmals seine Gemälde. Der bayerische Prinzregent Luitpold (1821–1912) erwirbt Werke für seine Sammlung. 1909 führt Seyler eine Reise nach Paris, wo er die Kunst der Schule von Barbizon entdeckt. Im Jahr darauf ist er bei Verwandten in den USA und heiratet seine ehemalige Kommilitonin aus Münchner Tagen, mit der ihn seit dieser Zeit eine Freundschaft verbunden hatte. Die Familie seiner Frau stammt aus Norwegen und so reist das Paar 1911 auf die Lofoten. Ein Jahr später besucht Seyler erneut die französische Hauptstadt und reist weiter in die Bretagne. Diesmal beeindrucken ihn vor allem die Werke Vincent van Goghs (1853–1890), Paul Gauguins (1848–1903) und Paul Cézannes (1839–1906).

Die Galerie Thannhauser zeigt Seylers Werke seit 1911 regelmäßig in Einzelausstellungen und stellt ihn 1913 auf der legendären Armory Show in New York aus. Seyler reist 1914 mit seiner Frau zu einer Hochzeit in die USA und wird dort vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs überrascht. Durch die englische Seeblockade ist eine Rückkehr nach Deutschland unmöglich. In den Jahren in Amerika verdient sich Seyler mühsam seinen Lebensunterhalt als Farmer. Obwohl nur wenig Zeit und Energie für künstlerisches Arbeiten bleibt, findet er mit der Darstellung von Indianern, insbesondere der Blackfeet, ein neues Sujet in seiner Kunst.

Erst 1921 gelingt die Rückkehr nach München, doch Seyler muss sich zunächst ein neues Auskommen schaffen. 1922 stellt die Münchner Galerie Helbig seine Werke aus. Mehr und mehr kann Seyler seine Werke verkaufen und sein Leben stabilisiert sich. 1924 ernennt die Akademie ihn zum Honorarprofessor, die Galerie Thannhauser zeigt wieder seine Kunst, der Bayerische Staat erwirbt ein Gemälde aus der Bretagne, die Stadt München im Jahr darauf das Werk »Muschelfischer«. 1926 erscheint die erste Monografie zu Seylers Werk und WESTERMANNS MONATSHEFTE widmen dem Künstler ein Sonderheft. 1927 reist Seyler erneut nach Paris und nach Südfrankreich. In der Münchner Glaspalast-Ausstellung erhält er in diesem Jahr einen eigenen Saal. Zu Beginn der 1930er-Jahre hält er sich oft auf Sylt auf.

Noch 1943 zeigt das Maximilianeum Seylers Kunst. Sein Münchner Atelier wird bei einem Bombenangriff getroffen. Viele Werke werden zerstört, andere kann Seyler im Keller der Alten Pinakothek auslagern. In der Bayerischen Versicherung fallen 1944 drei Kisten mit seiner Kunst einem Wassereinbruch zum Opfer. Die Familie zieht an den Chiemsee. Nach dem Krieg kehrt Seyler nach München zurück. Seine Sehkraft lässt nach. Obwohl weniger, malt er bis zu seinem Tod weiter und verstirbt in seinem Atelier. Otto Dix (1891–1969) nimmt die Totenmaske und Abdrücke der Hände Seylers ab.

RK

27.10.2021
Bruno Kroll: JULIUS SEYLER, Berlin: Rembrandt Verlag, 1940 (Die Kunstbücher des Volkes/Kleine Reihe, hrsg. v. Konrad Lemmer, Bd. 6)

Peter Breuer: MÜNCHNER KÜNSTLERKÖPFE, München: Verlag Georg D. W. Callwey, 1942, S. 289–291

Siegfried Wichmann: JULIUS SEYLER. IMPRESSIONEN AUS ZWEI KONTINENTEN. MIT EINEM BEITRAG ZUR INDIANERMALEEI, München: Galerie und Kunstverlag Bubenik, 1983

JULIUS SEYLER. REISESTATIONEN, Ausst.-Kat. Galerie Maulberger, München (02.03.–20.03., 03.04.–12.05.2001); Kunstmesse Köln (24.03.–01.04.2001), 2001

Sigrid Reisch: JULIUS SEYLER. EIN MÜNCHNER IMPRESSIONIST. SAMMLUNG SIGRID REISCH, KITZBÜHEL, Kitzbühel: Eigenverlag, 2003

FARBEN KUNST INDIANER. DER MÜNCHNER IMPRESSIONIST JULIUS SEYLER BEI DEN BLACKFEET, hrsg. v. Stefan Eisenhofer, m. Texten v. Christa Sigg, Wolfgang Stein, Stefan Eisenhofer, William E. Farr, Andreas Mach, Julius Seyler, Ausst.-Kat. Museum Fünf Kontinente, München (13.11.2015–03.04.2016), München, Berlin: Deutscher Kunstverlag, 2015

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