Auf dem Rücken liegender Akt

Beschreibung

Mit schwarzer Wachskreide zeichnet Karl Schmidt-Rottluff 1911 diese Darstellung eines »Auf dem Rücken liegenden Aktes«. Den Körper der Frau, den Schmidt-Rottluff seitlich ins Querformat des Blattes rückt, macht er nur durch Umrisskonturlinien sichtbar, während er das Haar schwarz ausmalt. Mit kurzen Strichen schafft er der Dargestellten ein Gesicht, das durch den gradlinigen Mund emotionslos wirkt. Sie hat ihren rechten Arm hinter den Kopf auf den Boden gelegt, während ihr linker auf ihrer Brust ruht. Ein Bein hat sie angewinkelt aufgestellt, das andere ist darübergelegt. Die gesamte Darstellung wirkt situativ, vermittelt Bewegung und Intimität, ohne letzteres konkret bildlich darzustellen. Das Blatt dürfte während eines Arbeitsaufenthaltes des Malers in Norwegen entstanden sein. Auf dem Blattrand unten links befindet sich eine Widmung des Künstlers an Bertha Rohlsen (1852–1928), die Witwe des österreichisch-ungarischen Konsuls Gustav Heinrich Christian Rohlsen (1836–1890): »Frau Consul Rohlsen ganz ergebenst« .

Rohlsen lebt ebenfalls in Hamburg, ist seit 1909 passives Mitglied der Künstlergruppe »Brücke« und ebenso wie Rosa Schapire (1874–1954), Kunsthistorikerin und Förderin von Karl Schmidt-Rottluff, Mitglied im avantgardistischen »Frauenclub Hamburg«. Schon im Herbst 1909 lädt die Konsulgattin den Maler in ihr Landhaus in Norwegen ein. Nach reiflichen Überlegungen nimmt Schmidt-Rottluff die Einladung im Juli und August 1911 an und verbringt zwei Monate auf Gut Ringolfnaes in Lofthus im Hardanger-Fjord, wo auch das Gemälde »Norwegische Landschaft (Skrygedal)« (Inv. 0.00028a/b) aus dem Sammlungsbestand des Buchheim Museums entsteht. Drei Jahre vorher, 1908, erwirbt Bertha Rohlsen die ersten beiden Gemälde von Schmidt-Rottluff: »Der Rote Weg« und »Das Blaue Haus« von 1907. Dafür bedankt sich der Künstler bei der Hamburger Sammlerin am 14.11.1908, indem er schreibt: »Es hat mich wahrhaft glücklich gemacht, daß Ihnen meine Bilder soviel Freude bereiten können […]« .

Aufgrund der persönlichen Widmung an Rohlsen darf man davon ausgehen, dass die Zeichnung »Auf dem Rücken liegender Akt« ein Geschenk des Künstlers an die Sammlerin gewesen ist. Vielleicht war es ein Dankeschön für den Aufenthalt in Norwegen. In den im Sammlungsbestand des Landesmuseums für Kunst & Kultur in Oldenburg überlieferten 15 Briefen und sieben Postkarten von Karl Schmidt-Rottluff an Bertha Rohlsen, die aus den Jahren 1907 bis 1912 stammen, findet die Zeichnung »Auf dem Rücken liegender Akt« keine Erwähnung. Über die 1908 von Rohlsen erworbenen eingangs erwähnten zwei Gemälde, »Der Rote Weg« und »Das Blaue Haus«, ist überliefert, dass sie zu einem unbekannten Zeitpunkt in den Sammlungsbestand von Rohlsens Bruder, Paul Rauert (1863–1938) und dessen Frau Martha Rauert (1869–1958), sie ebenfalls passives Mitglied der Künstlergemeinschaft »Brücke«, übergehen. Auch das von Rohlsen 1911 angekaufte Ölgemälde »Einfahrt« von 1910 gelangt nach 1917 in die Sammlung Rauert in Hamburg. Ob auch »Auf dem Rücken liegender Akt« nach Rohlsens Tod 1928 an die Rauerts vererbt wurde oder wann was genau mit dem Blatt geschieht, konnte im Rahmen des Projektes nicht gesichert rekonstruiert werden. Ein Erwerb durch Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) muss jedoch spätestens vor April 1981 erfolgt sein, da die Zeichnung als Teil seiner Sammlung ab 2. April 1981 in der Ausstellung EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM im Kölnischen Stadtmuseum und in der Folge an den weiteren Stationen der zehnjährigen internationalen Ausstellungstournee gezeigt wird.

Die Provenienz ist für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 nicht eindeutig geklärt, es bestehen Provenienzlücken. Die Herkunft muss weiter erforscht werden. Wir bedanken uns für weiterführende Hinweise.

JL

24.07.2024