Rudolf Levy (1875–1944)



Fotograf/Fotografin unbekannt; aus: RUDOLF LEVY. ÖLBILDER, Ausst.-Kat. Frankfurter Kunstkabinett Hanna Bekker vom Rath 1959


Rudolf Levy wird als Sohn eines Kaufmanns in eine orthodox-jüdische Familie im pommerschen Stettin, heute Szcecin in Polen, geboren. Kurz nach der Geburt übersiedeln sie nach Danzig, heute Gdánsk. Zunächst absolviert Levy eine Lehre als Möbelschreiner, entweder noch in Danzig oder in Berlin. 1895 setzt er seine Ausbildung an der Großherzoglich Badischen Kunstgewerbeschule in Karlsruhe fort und trifft hier auf Hans Purrmann (1880–1966), der zu einem lebenslangen Freund wird. Des Kunsthandwerks müde gehen beide 1897 zusammen nach München. Während Purrmann sich sofort an der dortigen Akademie der Bildenden Künste einschreibt, studiert Levy zunächst an der privaten Kunstschule von Heinrich Knirr (1862–1944), wo Paul Klee (1879–1940) einer seiner Mitstudenten ist. 1898 gründet Levy gemeinsam mit Albert Weisgerber (1878–1915) und anderen die Künstlervereinigung »Sturmfackel«, auch Walter Bondy (1880–1940), Ernst Stern (1876–1954) und Alfred Kubin (1877–1959) gehören zu diesem Kreis. Zum Sommersemester 1899 tritt Levy in die Naturklasse von Nikolaus Gysis (1842–1901) an der Akademie ein. Ab 1901 studiert er bei Heinrich von Zügel (1850–1941) Freilichtmalerei.

Levy ist zeitlebens ein geselliger Mensch, der schnell zum Mittelpunkt eines jeden Kreises wird. So verwundert es nicht, dass er in jeder Stadt, wo er sich aufhält, immer auch sein Stammcafé hat und dort Freunde trifft und neue kennenlernt. Als er 1903 zusammen mit Bondy und Friedrich Ahlers-Hestermann (1883–1973) nach Paris geht, wird es das Café du Dôme in Montparnasse, wo er einen Treffpunkt für die gesamte Pariser Bohème, insbesondere aber die deutschstämmigen unter ihnen installiert. 1906 zeigt Levy ein Gemälde auf dem 4. Pariser Herbstsalon. Ab 1908 ist er Schüler von Henri Matisse (1869–1954) an dessen privater Malschule und trifft dort wieder auf Purrmann. Beide sind sie »massiers« in der Académie Matisse und bekleiden damit eine vermittelnde Rolle zwischen Matisse und den anderen Studenten. Levys zweites großes Vorbild wird Paul Cézanne (1839–1906), auf dessen Spuren er in den Sommern ab 1911 in Südfrankreich wandelt.

Mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs meldet sich Levy freiwillig. Er kämpft den ganzen Krieg hindurch in Frankreich und in Flandern und erhält 1915 das Eiserne Kreuz 1. und 2. Klasse. Nach dem Krieg lässt sich Levy in Deutschland nieder. Er versucht zunächst in Frankfurt am Main den Neuanfang, dann geht er nach Düsseldorf. Hier beteiligt er sich an der ersten Ausstellung der Künstlergruppe »Das junge Rheinland« und trifft Alfred Flechtheim (1878–1937). 1921 geht Levy nach Berlin. Flechtheim, der hier eine Filiale seiner Galerie eröffnet hat, übernimmt seine Vertretung und richtet ihm 1922 seine erste Einzelausstellung aus. Im Romanischen Café an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche treffen sich viele Freunde aus dem Café du Dôme wieder.

Zwischen 1924 und 1926 ist Levy zurück in Frankreich, knüpft für Flechtheim Kontakte in Paris und weilt in der Provence. Nach seiner Rückkehr nach Berlin erweitert sich sein Freundeskreis unter anderem um die beiden Mann-Kinder Erika (1905–1969) und Klaus (1906–1949), der ihn später als Inspiration für die Figur des Professor Samuel in seinem Exilroman TRANSIT verwendet, die Schauspieler und Regisseure Gustav Gründgens (1899–1963) und Erik Charell (1894–1974) oder die Bildhauerin Renée Sintenis (1888–1965), die ebenfalls von Flechtheim vertreten wird. 1926 wird Levy Mitglied der »Berliner Secession« und engagiert sich in den folgenden Jahren in deren Gremien. In der Themenausstellung der »Berliner Secession« 1931 KÜNSTLER UNTER SICH zeigt Levy das Porträt des Freundes Hans Purrmann. 1929/30 betreibt Levy kurzzeitig eine eigene Malschule in Berlin.

Nachdem die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht gekommen waren, entschließt Levy sich dazu, das Land zu verlassen. Am 1. April 1933 emigriert er über Nizza nach Rapallo, wo er gemeinsam mit Oscar Kokoschka (1886–1980) im Haus seines Freundes und Schülers Bob Gésinus (1898–1978) lebt. Weitere Stationen sind Mallorca, New York, das er trotz Aufenthaltserlaubnis wieder verlässt, Kroatien und Ischia. Überall trifft er auf alte Weggefährten und erhält Unterstützung von Freunden. In der Aktion »Entartete Kunst« werden 11 Gemälde von Levy in deutschen Museen beschlagnahmt.

Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wird Levys Aufenthaltsgenehmigung für Ischia nicht verlängert. Erik Charell, der in den USA lebt und ihm bereits während seiner New Yorker Zeit zur Seite gestanden hatte, versucht, ihm die Emigration nach Südamerika zu ermöglichen, was jedoch fehlschlägt. Im Dezember 1940 übersiedelt Levy nach Florenz, wo er unter anderem den befreundeten Maler Heinz Battke (1900–1966) trifft. Auch der Kunsthändler Victor Wallerstein (1879–1944) gehört zu seinem dortigen Freundeskreis. Als die Deutschen 1943 Florenz besetzen, taucht Levy mehrfach unter. Doch ein Leben im Verborgenen ist nichts für ihn. So wird er im Dezember von sich als Kunsthändler ausgebenden Gestapo-Beamten verhaftet. Ein Rettungsversuch der Freunde kommt zu spät. Levy wird am 30. Januar 1944 von Mailand aus nach Auschwitz deportiert. Wahrscheinlich ist er dort nicht mehr lebend angekommen.

Levys Frau, die Fotografin Eugenie Levy, genannt Genia, (1894–1953) kümmert sich um den Nachlass. Sie initiiert eine Gedächtnisausstellung, die sie selbst aber nicht mehr erlebt. Von ihr übernimmt Heinz Battke, mit dem Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) 1963 wegen Fragen zu Levys Werk in Kontakt tritt. 1990 wird das Werkverzeichnis der Gemälde von Susanne Thesing in Überarbeitung ihrer Dissertation an der Universität München von 1979 veröffentlicht.

RK

20.01.2022
PURRMANN UND DER EXPRESSIONISMUS, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See, 01.04.2017–09.07.2017
RUDOLF LEVY, m. e. Text v. Gustav Friedrich Hartlaub, [Ausst.-Kat. Städtische Galerie München (08–09/1954)]

RUDOLF LEVY. BILDNISSE, SILLEBEN, LANDSCHAFTEN, Geleitwort und Nachruf v. Genia Levy, Erinnerungen an den Freund v. Hans Purrmann, Baden-Baden: Woldemar Klein Verlag, 1961 [Der silberne Quell, Bd. 53]

Susanne Thesing: DER MALER RUDOLF LEVY 1875-1944?, MONOGRAPHIE UND WERKVERZEICHNIS, Universität München, Diss., 1979

Susanne Thesing: RUDOLF LEVY. LEBEN UND WERK, Nürnberg: Verlag für moderne Kunst, 1990

Susanne Thesing: »Der Maler Rudolf Levy«, in: DIE GROßE INSPIRATION. DEUTSCHE KÜNSTLER IN DER ACADÉMIE MATISSE. TEIL III. FRIEDRICH AHLERS-HESTERMANN, MARTHA BERNSTEIN, HANS GÖTT, EUGEN HAMM, ANNEMARIE KRUSE-VON JAKIMOW, MARIA LANGER-SCHÖLLER, OTTO RICHARD LANGER, RUDOLF LEVY, HENRI MATISSE, MARG MOLL, OSKAR MOLL, FRANZ NÖLKEN, HANS PURRMANN, WALTER ALFRED ROSAM, JAKOB STEINHARDT, WILLIAM STRAUBE, MATHILDE VOLLMOELLER, GRETCHEN WOHLWILL, Ausst.-Kat. Kunst-Museum Ahlen (21.11.2004–13.02.2005), S. 59–69

KUNST UND LEBEN 1918 BIS 1955, hrsg. v. Karin Althaus, Sarah Bock, Lisa Kern, Matthias Mühling u. Melanie Wittchow f. d. Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Ausst.-Kat. Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München (15.10.2022–16.04.2023)), Berlin, München: Deutscher Kunstverlag, 2022

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