Max Liebermann (1847–1935)

Max Martin Liebermann



ullstein bild – Gerty Simon


Max Liebermann wird in Berlin in eine wohlhabende jüdische Industriellenfamilie geboren und erhält noch während seiner Schulzeit privaten Zeichenunterricht bei Carl Steffeck (1818–1890). Nach dem Abitur schreibt er sich 1866 an der Berliner Universität im Fach Chemie ein, verbringt jedoch die meiste Zeit im Atelier von Steffeck. 1886 wird er in die Großherzogliche Kunstschule in Weimar aufgenommen und wird zunächst vom belgischen Maler Ferdinand Pauwels (1830–1904) unterrichtet. Beim Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870 wird Liebermann als kriegsuntauglich eingestuft. Er lässt sich freiwillig als Sanitäter ausbilden und wird an der Front in Metz eingesetzt. Nach seiner Rückkehr hält er sich kurz in Düsendorf auf, wo er Mihály von Munkácsy (1844–1900) begegnet, von dessen Genrebildern er tief beeindruckt ist. Anschließend reist er nach Paris und studiert die Freilichtmalerei der Künstler der Schule von Barbizon. Es folgt ein erster Aufenthalt in den Niederlanden, wohin er im Laufe seines Lebens immer wieder zurückkehrt. Zwei seiner noch zu Studienzeiten entstandenen Bilder, »Die Gänserupferinnen« (1872) und »Die Konservenmacherinnen« (1873), empören mit ihrer ungeschönten Darstellung arbeitender Menschen zwar die Öffentlichkeit, doch gerade wegen dieses Sujets finden sich Käufer und Liebermann erhält erste öffentliche Aufmerksamkeit.

1873 zieht Liebermann nach Paris und mietet ein Atelier am Montmartre. Hier studiert er die Kunst von Gustave Courbet (1819–1877) und Jean-Francois Millet (1814–1875) und ist von ihren realistischen Darstellungen fasziniert. Die Sommermonate der folgenden Jahre verbringt er wiederholt in Barbizon, wo er sich intensiv mit der impressionistischen Malweise beschäftigt. Die Kunst von Frans Hals (erste Hälfte 1580iger-Jahre–1666), die Liebermann in Haarlem sieht, prägt seinen Stil nachhaltig. Trotz der Teilnahme am »Salon de Paris« ist die Pariser Zeit für Liebermann wenig erfolgreich. So reist er im Sommer 1878 nach Venedig, wo er u. a. Franz von Lenbach (1836–1904) begegnet, der ihn ermutigt, nach München zu ziehen. 1879 vollendet Liebermann das Werk »Der zwölfjährige Jesus«, das einen öffentlichen Skandal auslöst und die katholische Kirche empört. Liebermann ist unzähligen antisemitischen Angriffen ausgesetzt. Dagegen erhält er von vielen Malerkollegen, darunter Wilhelm Leibl (1844–1900), große Unterstützung. 1880 regt ihn der Besuch des Altmännerhauses in Amsterdam zu einem neuen Bild an. »Altmännerhäuschen in Amsterdam« erhält auf Grund des virtuos gemalten Licht- und Schattenspiels viel Aufmerksamkeit. Weitere Werke entstehen, die ebenfalls große Anerkennung erhalten.

1884 kehrt Liebermann nach Berlin zurück. Seine in Laren, in den Niederlanden entstandenen »Flachsspinnerinnen« erhalten sowohl Lob als auch Kritik. 1888 wird es auf der Münchener Internationalen Kunstausstellung mit der »Kleinen Goldenen Medaille« ausgezeichnet. Weitere Preise folgen. 1889 wird zum 100. Jubiläum der Französischen Revolution eine Weltausstellung in Paris organisiert. Liebermann wird Jury-Mitglied. Preußen verbietet die Teilnahme deutscher Künstler, die jedoch inoffiziell gezeigt werden. Liebermann wird in den kommenden Jahren zu einem vielfach preisgekrönten Maler. Gleichzeitig ist er Mitbegründer mehrerer Organisationen. 1892 wird die Vereinigung der XI gegründet, neben der »Münchener Secession« die bedeutendste Künstlergruppe der sich gegen die Lehre der Kunstakademie positionierenden Vereinigungen.
Liebermanns 50. Geburtstag wird 1897 mit einer großen Ausstellung in der Akademie der Künste gefeiert und er erhält den Professorentitel. 1898 wird Liebermann Mitglied der Königlichen Akademie. Im selben Jahr gründet er gemeinsam mit Walter Leistikow (1865–1908) und über 60 weiteren Künstlern die »Berliner Secession« und wird zu deren Präsidenten gewählt.
1903 veröffentlicht Liebermann den Aufsatz »Die Phantasie in der Malerei«, in dem er eine auf der Wirklichkeit beruhende Kunst fordert. 1907 zeigt die »Berliner Secession« zum 60. Geburtstags Liebermanns eine umfangreiche Retrospektive. Als Liebermann zwei Jahre später zahlreiche Bilder expressionistischer Künstler, so von Emil Nolde (1867–1956) und Max Pechstein (1881–1955), ablehnt, bricht innerhalb der »Berliner Secession« ein Konflikt aus. 1911 tritt Liebermann als Präsident zurück, Lovis Corinth wird sein Nachfolger. 1913 verlässt Liebermann die »Berliner Secession«. Anlässlich seines 65. Geburtstages erhält er zahlreiche Ehrungen, darunter den Ehrendoktortitel der Berliner Universität. Ein Jahr später wird er Mitglied der neu gegründeten »Freien Secession«.

Von der allgemeinen Stimmung bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges mitgerissen, malt Liebermann eine Vielzahl patriotischer Flugblätter. Daneben verbringt er viel Zeit in seiner Villa am Wannsee und stellt seinen Garten in unzähligen Varianten dar. Gleichzeitig beginnt er, Werke bekannter Schriftsteller, wie Goethes »Mann von 50 Jahren«, zu illustrieren. 1917 wird Liebermann anlässlich seines 70. Geburtstages von der Akademie mit einer Retrospektive geehrt. Die Zeit nach dem Ende des Krieges verbringt er zurückgezogen in Berlin. Aggressiv geführte antisemitische Kampagnen erschüttern Berlin und ganz Deutschland.

1920 wird Liebermann zum Präsidenten der Preußischen Akademie der Künste in Berlin berufen. Nun fördert er auch den von ihm zuvor abgelehnten Expressionismus, der populärer denn je ist. 1925 wird das viel kritisierte Gemälde »Der Schützengraben« von Otto Dix in der Kunstausstellung der Akademie auf Liebermanns Anraten gezeigt. Zum 80. Geburtstag erhält er neben einer weiteren Retrospektive umfangreiche Ehrungen, darunter die Ehrenbürgerwürde der Stadt Berlin. Auch international wird er gefeiert. Trotz seines anhaltenden Erfolgs zieht er sich immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück. 1932 stellt er sein Amt als Akademiepräsident aus gesundheitlichen Gründen zur Verfügung und wird Ehrenpräsident.

Als 1933 Adolf Hitler durch Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wird, legt Liebermann alle seine Ämter nieder und lebt nun völlig zurückgezogen. Sein letztes Gemälde, ein Selbstporträt, entsteht noch 1934. Nach seinem Tod 1935 wird er ohne Ehren auf dem Jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee beigesetzt. Viele seiner Werke werden von den Nationalsozialisten bis 1945 beschlagnahmt, aus den Depots der deutschen Museen entfernt oder aus jüdischen Sammlungen enteignet und zu Gunsten des Reiches verkauft.

CD + RK

27.02.2020
IM KAMPF UM DIE KUNST. DIE ANTWORT AUF DEN »PROTEST DEUTSCHER KÜNSTLER«. MIT BEITRÄGEN DEUTSCHER KÜNSTLER, GALERIELEITER, SAMMLER UND SCHRIFTSTELLER, München: R. Piper & Co. Verlag, 1911, S. 29

Bernd Küster: MAX LIEBERMANN. EIN MALER-LEBEN, Hamburg: Ellert & Richter, 1988

MAX LIEBERMANN. WEGBEREITER DER MODERNE, hrsg. v. Robert Fleck, Ausst.-Kat. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn (21.04.–11.0.9.2011); Hamburger Kunsthalle (30.09.2011–19.02.2012), Köln: DuMont, 2011

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