Zirkus (Pferdedressur)
Postkarte an Felix Weise, Halle

Erich Heckel

30.12.1921

Tusche und Farbstift auf Postkarte

Bildmaß 15,7 x 10,5 cm


Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See


Inventarnummer: 1.00129

Zeichnung, Tusche, Farbige Pigmente, Archivalie, Chirografie


Sammlungsbereich: Arbeiten auf Papier

Künstler/in: Erich Heckel


© Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen; VG Bild-Kunst, Bonn; Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg
Klicken Sie auf die Abbildung, um die Werkgalerie zu öffnen.

Beschreibung

Mit einer Postkarte, auf der eine Pferdedressur in einer Zirkusmanege mit Tusche und Farbstift im Hochformat dargestellt ist, sendet das Ehepaar Erich und Siddi Heckel, geb. Milda Frieda Georgi (1891–1982), dem Hallenser Sammler Felix Weise (1876–1961) und seiner Familie am 30.12.1921 Neujahrswünsche für das kommende Jahr. Darüber hinaus bedankt Siddi Heckel sich für Blumen, die Weises ihr im Laufe des Jahres 1921 zugesendet haben müssen.

Laut freundlicher Auskunft des Nachlasses Erich Heckel in Hemmenhofen hat sich im dortigen Archiv keine Korrespondenz zwischen den beiden Ehepaaren erhalten. Als Grund wurde insbesondere die kriegsbedingte Zerstörung von Heckels Atelier 1944 in Berlin genannt, durch die viele Dokumente und auch Werke verbrannt sind. Auch im Deutschen Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, in dem Konvolute von Heckel-Korrespondenz mit verschiedenen Sammlern und Freunden überliefert ist, ist unserer Kenntnis nach kein Schriftverkehr mit Heckels und Weises überliefert. Es ist uns nicht bekannt, ob sich im Privatarchiv der Nachfahren nach Weise andere Künstlerpostkarten oder Briefe von Heckel erhalten haben, so dass keine Aussage mehr darüber getroffen werden kann, ob es über diese bemalte Postkarte hinaus schriftlichen Kontakt zwischen Weises und Heckels gegeben hat. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Korrespondenz umfangreicher gewesen ist, eine Künstlerpostkarte aber eher die Zeiten überdauert hat, weil sie insbesondere unter den »Expressionisten« Bestandteil des künstlerischen Schaffens war und damit als Kunstwerk angesehen und behandelt wurde.

Felix und Marie Weise (1879–unbekannt) bringen ab spätestens 1949 große Teile ihrer Sammlung über verschiedene Händler nach Westdeutschland. Sie wollen mit Verkäufen ihren Sohn Ruprecht (1914–1998) finanziell unterstützen, der die in Halle im Zuge der Bodenreform enteignete Pumpenfabrik in Bruchsal in Baden-Württemberg wieder aufbaut. Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) ist einer der Mittler. Er übernimmt im Oktober 1950 drei Gemälde (Inv. 0.00003a/b, Inv. 0.00012 und Inv. 0.00033) für eine Ausstellung in seiner Galerie in Frankfurt am Main und eine geplante Auktion. Schon im August hatte er einem Brief von Felix Weise zufolge 28 »Blätter« mitgenommen, wovon 16 Arbeiten von Erich Heckel und Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) und 12 von »Nicht-Brücke-Künstlern« waren. Ob auch diese Postkarte zum Konvolut gehörte, lässt sich aufgrund der nur für Kirchner überlieferten Titelaufstellung nicht rekonstruieren. Es ist aber unwahrscheinlich, da sich von den über die genannten Titel identifizierbaren Kirchner-Blättern heute keines im Buchheim Museum befindet. Belegt ist, dass Buchheim einige Kirchner-Blätter verkauft hat und die anderen, inklusive der Heckel-Werke, an Weises zurückgehen sollten.

Mit dem Transport nimmt Buchheim ein großes Risiko auf sich, denn die Ausfuhr von Kunstwerken aus der DDR ist streng verboten. Trotzdem wagt er es mehrere Male. Wie die Übernahmen abliefen, schildert Diethild Buchheim (1922–2014) in einer Eidesstattlichen Versicherung am 14.07.1997. Sie hatte von 1946 bis 1950 in Leipzig gelebt und im Buchhandel gearbeitet. Über die gemeinsamen Freunde, das ebenfalls im Buchhandel tätige Ehepaar Hilde und Kurt Gundermann (Lebensdaten unbekannt), lernt sie im Rahmen der Leipziger Buchmesse Lothar-Günther Buchheim kennen. Gundermanns waren auch mit dem Ehepaar Felix und Marie Weise bekannt, so dass sich um 1950 über eine geteilte Leidenschaft an der Kunst der Expressionisten eine Bekanntschaft zwischen Buchheim und dem Ehepaar Weise ergab. In der Folge übergaben sie Werke aus ihrer Sammlung an Buchheim für die bereits genannte Präsentation und zum anschließenden Verkauf. Die Ausstellung in der Galerie Buchheim-Militon findet im Sommer 1951 statt, zur Auktion kommt es nicht.

Gemäß eines Zahlungsbelegs an Felix Weises Sohn Ruprecht (1914–1998), der sich im Privatarchiv der Eheleute Buchheim erhalten hat, erwirbt Buchheim am 14.03.1959 noch drei weitere Bilder aus der Sammlung Weise (Inv. 0.0004, Inv. 0.0008, Inv. 0.00013) sowie »einige graphische Blätter«. Aufgrund fehlender werkspezifischer Angaben lassen sich weder der quantitative Umfang des Konvoluts noch die Technik oder Titel der Arbeiten rekonstruieren, doch wäre es möglich, dass die hier recherchierte Künstlerpostkarte Bestandteil gewesen ist. Gleichermaßen ist denkbar, dass Buchheim »Zirkus (Pferdedressur)« zu einem anderen unbekannten Zeitpunkt erwirbt, da er nach Felix Weises Tod mit Marie Weise in Kontakt bleibt und 1961 nachweislich ein weiteres Kirchner-Gemälde von ihr kauft (vgl. Inv. 0.00016).

Ebenso möglich ist auch, dass Buchheim die Künstlerpostkarte nicht direkt von der Familie Weise, sondern im Kunsthandel erworben hat. Das würde voraussetzen, dass Weises sie zu einem unbekannten Zeitpunkt an Dritte gegeben oder in den Kunsthandel gebracht hätten, was auch vor 1933 oder bis 1945 gewesen sein könnte.

Die Provenienz ist für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 somit nicht eindeutig geklärt, es bestehen möglicherweise Provenienzlücken, auch wenn ein direkter Erwerb durch Buchheim von Weises wahrscheinlich ist. Die Herkunft muss bei Gelegenheit weiter erforscht werden. Wir freuen uns über ergänzende Informationen.

JL + RK

30.06.2023

Beschriftungen

verso beschriftet (in Buchdruck, schwarzer Tinte, Briefmarke und Poststempel): Postkarte / Herrn Felix Weise / Halle/Saale / Händelstr.7 / Alles Gute für das kommen- / de Jahr wünschen Ihnen / und den Ihren Ihre / E.und S. Heckel. / So spät erst danke ich Ihnen / auch für die schönen Blu- / men, die uns lange Zeit erfreu- / ten. Hoffentlich sehen wir / Sie bald einmal wieder. / Ihre S. Heckel

Provenienz

früh. 30.12.1921–o. D.: Felix (1876–1961) und Marie Weise (1879–unbekannt), Halle, erworben vom Künstler als Geschenk
[...] ?
vmtl. 03/1959/vor 1998–22.02.2007: Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing, vmtl. erworben von Felix und Marie Weise, Halle
seit 22.02.2007: Buchheim Stiftung, Feldafing/Bernried, erworben im Erbgang von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und in konkludenter Schenkung von Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing

JL + RK

03.07.2023

Sammlung Weise
Sammlung Buchheim

Ausstellungen

ERICH HECKEL. EINFÜHLUNG UND AUSDRUCK, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See, 31.10.2020/09.03.2021–06.06.2021/20.06.2021

EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM, Haus der Kunst, München, 29.07.1998–18.10.1998

Literatur

ERICH HECKEL. EINFÜHLUNG UND AUSDRUCK, hrsg. v. Daniel J. Schreiber, m. Texten von Felix Billeter, Cosima Dollansky, Andreas Gabelmann, Hans Geissler, Hermann Gerlinger, Angelika Grepmair-Müller, Andreas Hüneke, Claudia Leonore Kreile, Christian Rathke, Daniel J. Schreiber, Heinz Spielmann, Corinna Thamke, Ausst.-Kat. Buchheim Museum, Bernried (31.10.2020–07.03.2021), Bernried: Buchheim Verlag, 2020, Abb. S. 286

Clelia Segieth: FASZINATION CIRCUS. MANEGE FREI FÜR KUNST & PHANTASIE, Ausst.-Kat. Buchheim Museum, Bernried (21.11.2010–26.06.2011), Feldafing: Buchheim Verlag, 2010

EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM, hrsg. i. Auftrag der »Freunde des Buchheim-Museums und der Buchheim Stiftung e. V.«, m. Texten von Christoph Vitali, Carla Schulz-Hoffmann, Hans Krieger, Clelia Segieth, Lothar-Günther Buchheim, Ellen Maurer, Ausst.-Kat. Haus der Kunst, München (29.07.–18.10.1998), Feldafing: Buchheim Verlag, 1998, Kat. Nr. 118 (ohne Abb.)

Weitere Werke