Am Waschzuber stehender Akt

Beschreibung

Ernst Ludwig Kirchner verwendet wie viele seiner »Brücke«-Kollegen Bildträger auch beidseitig. In diesem Fall benutzt er sogar zwei unterschiedliche Techniken auf den beiden Blattseiten. »Am Waschzuber stehender Akt« entsteht mit Tuschfeder um 1907 und zeigt einen Frauenakt, der mit dem Körper frontal zu uns steht, während der Kopf zur Seite gedreht ist. Rechts neben der Frau ist der Waschzuber zu erkennen. Auf der über Jahrzehnte favorisierten Bildseite von 1907 mit dem Titel »Kopf Doris« ist ein Frauenbildnis, gedruckt als Lithografie in zwei Farben zu sehen. Dabei handelt es sich um das Model »Dodo«, eigentlich Doris Große (1884–nach 1936), das Kirchner während seiner Zeit in Dresden häufig Model stand.

Der Stempelabdruck des Kirchner-Nachlasses befindet sich unten links unterhalb der Tuschezeichnung , was indiziert, dass die Druckgrafik bei der Inventarisierung des Nachlasses im Kunstmuseum Basel ab 1946 als wichtigere Blattseite angesehen wurde. Die Signatur des Künstlers befindet sich auf dem Stein unten rechts. Das Autorenehepaar Günther und Annemarie Gercken listen in ihrem Werkverzeichnis zur Druckgrafik Ernst Ludwig Kirchners 11 bekannte Druckexemplare des Bildmotivs »Kopf Doris« auf. Darunter befinden sich auch zwei Exemplare, die tatsächlich ein und dasselbe sind: das Exemplar des Buchheim Museums »auf grauem Bütten, verso Zeichnung (Rohrfeder und Tusche), Akt im Raum« und ein Exemplar, angeboten beim »Stuttgarter Kunstkabinett, 28. Auktion, 28.05.1957, Nr. 437, verso Federzeichnung, Weiblicher Akt« . Lothar-Günther Buchheim markiert genau diese Losnummer in seinem Katalogexemplar der 28. Auktion aus der Privatbibliothek der Eheleute Buchheim mit einem Bleistiftkreuz und dokumentiert einen Hammerpreis von »130,–« daneben. Man darf also davon ausgehen, auch wenn eine Bestätigung durch das Archiv des Stuttgarter Kunstkabinetts Roman Norbert Ketterer noch aussteht, dass Buchheim die hier beschriebene und recherchierte Papierarbeit auf der Auktion vom 28.05.1957 erworben hat. Auch die Exemplarbeschreibungen im Werkverzeichnis und Auktionskatalog stimmen im Wesentlichen miteinander überein. Eine Abbildung gibt es im Katalog zur Auktion nicht, so dass sich die Werkübereinstimmung und die daraus notwendige Korrektur des Werkverzeichnisses nur durch die Übereinstimmungen in der Provenienz belegen lässt.
Da sich »Am Waschzuber stehender Akt« bzw. »Kopf Doris« bis 1946 im Künstlernachlass befinden, ist die Provenienz für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 rekonstruierbar und unbedenklich. Sie schließt einen NS-verfolgungsbedingten Hintergrund aus.

JL

13.03.2024