Akt zwischen Steinen

Otto Mueller

um 1926

Schwarze und farbige Kreide sowie Aquarell auf Papier

Bildmaß 67,4 x 50,2 cm


Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See


Inventarnummer: 1.00329

Alternativer Titel: Zwischen Felsen sitzendes Mädchen; Nude Between Stones

Zeichnung, Schwarze Pigmente, Farbige Pigmente, Wasserfarben

KVZ/WVZ: Pirsig-Marshall/Lüttichau P1926/21 (823); Lüttichau/Pirsig 823


Sammlungsbereich: Arbeiten auf Papier

Künstler/in: Otto Mueller


Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg
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Beschreibung

Ein weiblicher Akt sitzt auf einem Stein am Wasser inmitten einer steinigen Uferlandschaft. Am unteren Bildrand ist Wasser zu sehen, der obere Bildrand wird durch den hellblauen Himmel begrenzt. So rahmen Luft und Wasser die schlanke weibliche Figur ein, die umgeben ist von braunen eckigen Steinen, die in einer Art Staffelung hintereinanderstehen und auf diese Weise dem Bild Tiefe verleihen. Der helle, beinahe gelblich ausgemalte Körper des Aktes mit den schwarzen Haaren, steht im farblichen Kontrast zu den dunklen Steinen, zwischen denen sie sitzt. Otto Mueller verleiht dem Antlitz keine Mimik, konkrete Gesichtszüge fehlen. Sie sind nur mit wenigen Bleistiftstrichen angedeutet. Was drückt die junge Frau mit ihrer Gestik aus? Die Art, mit der sie ihren Oberkörper auf dem Stein abstützt, ihre Schulter hochzieht und den Kopf seitlich daran anlehnt. Kokettiert sie für uns? Oder ist sie gedankenverloren?

Der Bildtitel der Darstellung, »Akt zwischen Steinen«, ist verso auf der Blattrückseite mit Bleistift dokumentiert. In der unteren Blattecke, rechts daneben, ist der Abdruck des Otto-Mueller-Nachlass-Stempels zu erkennen, der von Erich Heckel (1883–1970) zur Verwaltung des künstlerischen Nachlasses des bereits 1930 verstorbenen »Brücke«-Kollegen angebracht und von ihm signiert wurde. Dieser belegt sowohl die Authentizität des Blattes als auch den Eigentumstransfer an die Erben Muellers im Jahr 1931. Über dem Stempelabdruck ist ein Preis für das Aquarell in Höhe von »6000,–« dokumentiert, der indiziert, dass das Blatt zum Verkauf gestanden haben muss. Ob es der Preis gewesen ist, den Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) gezahlt hat oder es sich um eine Forderung aus einem anderen Angebot handelt, kann auf Basis der bisher von uns eingesehenen Quelle nicht gesichert festgestellt werden.

Tanja Pirsig-Marshall und Mario von Lüttichau erläutern im Vorwort zum Werkverzeichnis der Gemälde, Zeichnungen und Aquarelle von 2020, dass ein Teil der von Otto Mueller nachgelassenen Werke unter der ersten und dritten Ehefrau, Maschka Mueller (1880 –1952) und Elfriede Timm (1904–1979), aufgeteilt wird. Der größte Anteil wird seinem Sohn, Josef Mueller-Herbig (1925–1992), zugesprochen. Da dieser 1931 noch minderjährig ist, wird er an seine Mutter, Muellers zweite Ehefrau, Elsbeth Herbig, geb. Lübke (1902–1977), übergeben. Elsbeth Herbig arbeitet infolgedessen mit den Kunsthändlern Axel Vömel (1897–1985) aus Düsseldorf und Günther Franke (1900–1976) in München zusammen, ebenso wie ihr Sohn Josef Mueller-Herbig (1925–1992), der Franke am 29.10.1964 bittet, Buchheim für seine verlegerischen Tätigkeiten Werke aus dem Nachlass, die Franke als Kommissionsware in München hat, zur Verfügung zu stellen. Auch weist er Buchheim darauf hin, dass seine Mutter noch Werke habe, die dieser bei der Planung seiner Publikationen berücksichtigen könne. Zu diesem Zeitpunkt ist Buchheims erste Monografie zu Muellers grafischem Werk, die er gemeinsam mit dem Kunsthändler Florian Karsch 1963 veröffentlicht, sowie bereits 1957 ein kleines Büchlein von Hanns Theodor Flemming im Buchheim Verlag über Mueller erschienen. Buchheim plant aber auch die Herausgabe eines Kunstkalenders und einer zweiten Monografie, für die er neues Material, insbesondere Bildmaterial, aus dem Nachlass von Mueller-Herbig verwenden möchte. 1966 erscheint ein Kunstkalender für 1967 mit Werken von Otto Mueller im Buchheim Verlag. Diese Darstellung ist jedoch ebenfalls nicht enthalten. Auch in der uns bekannten im Privatarchiv der Eheleute Buchheim überlieferten Korrespondenzen zwischen Buchheim und Josef Mueller-Herbig sowie Buchheim und Emmy Mueller (1876–1962), Muellers älterer Schwester, wird »Zwischen Felsen sitzendes Mädchen« , wie das Blatt 1968 in der Monografie von Buchheim betitelt ist, nicht erwähnt. Buchheims konkreter Wunsch, ein Aquarell direkt von Josef Mueller-Herbig aus dem Mueller-Nachlass zu erwerben und auf diese Weise einen Kommissionszuschlag durch einen Händler zu vermeiden, ist in einem Brief vom 12. Mai 1964 dokumentiert. Mueller-Herbig antwortet Buchheim umgehend zwei Tage später: »Weiterhin muß ich Ihnen sagen, daß ich nicht an Verkauf denke, weder über Herrn Günther Franke, noch direkt an Sie. Die Blätter liegen schon seit Jahren bei Herrn Franke unverkäuflich.« .Trotzdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass Mueller-Herbig seine Meinung zu einem späteren Zeitpunkt ändert und Buchheim Papierarbeiten von ihm erwirbt.

Als Vorbesitzer des Nachlasses kommen jedoch noch andere Personen in Frage, die durch verwandtschaftliche Beziehung zu den Erben des Mueller-Nachlasses wie der ersten Frau Muellers, Maschka Mueller, stehen, auch wenn sie 1931 keine direkten Nachlasserben sind. So erwähnt Buchheim gegenüber Mueller-Herbig am 22.02.1960, dass er »vor langer Zeit schon ein Bild von Otto Mueller« von Joseph Mayerhofer (Lebensdaten unbekannt) erworben habe. Zwar dürfte es sich mit dem Erwerb um ein Gemälde und nicht um eine Papierarbeit gehandelt haben, die Buchheim eben als »Blatt« oder »Grafik« und nicht als »Bild« bezeichnet hätte, die Aussage belegt aber eine Verkaufsbeziehung zwischen Buchheim und Josef Mayerhofer, einem Neffen Maschkas. Auch schreibt Buchheim, dass er »in ständiger Verbindung mit Herrn Eugen Meyerhofer [sic] und Herrn Josef Meyerhofer [sic]« stünde, was ein weites Netzwerk Buchheims belegt. Maschkas anderer Neffe Eugen Mayerhofer (1901–unbekannt) lebte sogar eine Zeit lang bei ihr und Mueller, was durch Briefe, aber auch Druckgrafiken, für die Eugen Modell war, dokumentiert ist. Für Josef Mayerhofer verwendet Mueller in seinen Briefen den Kosenamen »Peppi«. Auch ihn bedenkt er mit Zuwendungen. Vermutlich wegen des bevorstehenden Weihnachtsfestes 1917 möchte Mueller »Peppi« beispielsweise etwas schicken und fragt Maschka am 23. Dezember nach dessen Adresse.

Im Ergebnis kann somit trotz der Existenz von Primärquellen nicht eindeutig festgestellt werden, ob das Forschungsobjekt Teil eines der von Mueller-Herbig erwähnten Konvolute oder einer anderen dritten Person, die in Beziehung zu den Erben gestanden hat, gewesen ist. Denn auch ein Erwerb Buchheims im Kunsthandel kann nicht ausgeschlossen werden. Als Teil seiner Sammlung präsentiert Buchheim »Badende« erstmalig in der Ausstellung EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM. ARBEITEN AUF PAPIER, die vom 10. September bis 15. Oktober 1989 im Ulmer Museum veranstaltet wird. Buchheims Erwerb kann somit bis auf Weiteres nur vage auf »vor Herbst 1989« eingegrenzt werden.

Die Provenienz ist für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 nicht eindeutig geklärt, es bestehen Provenienzlücken. Die Herkunft muss weiter erforscht werden. Wir danken für weiterführende werkbezogene Hinweise.

JL

29.08.2024

Beschriftungen

verso u. l. beschriftet (in Bleistift): 1.00329
verso u. r. beschriftet (in Bleistift, ausradiert): [...]
verso u. r. betitelt (in Bleistift): »Akt zwischen Steinen«
verso u. r. beschriftet (in Bleistift): 6000,–
verso u. r. Nass-Stempel (in Schwarz, in Bleistift signiert): O. M. / Nachlass / Prof. Otto Mueller / Breslau / Heckel [L.1829d]

Provenienz

1930: Nachlass Otto Mueller
1931–o. D.: Erben des Künstlers
[...]
spät. 1989–22.02.2007: Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing
seit 22.02.2007: Buchheim Stiftung, Feldafing/Bernried, erworben im Erbgang von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und in konkludenter Schenkung von Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing

JL

29.08.2024

Sammlung Buchheim

Ausstellungen

EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM, Haus der Kunst, München, 29.07.1998–18.10.1998

EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM. ARBEITEN AUF PAPIER, Ulmer Museum, Ulm, 10.09.1989–15.10.1989

Literatur

Tanja Pirsig-Marshall, Mario-Andreas von Lüttichau: OTTO MUELLER. CATALOGUE RAISONNÉ, hrsg. v. Markus Eisenbeis für Van Ham Art Publications GmbH, Köln, Leipzig: E. A. Seemann Verlag in der E. A. Seemann Henschel GmbH & Co. KG, 2020, Kat. Nr. P1926/21 (823), Abb. S. 202 r. u.

OTTO MUELLER. WERKVERZEICHNIS DER GEMÄLDE UND ZEICHNUNGEN, hrsg. v. Tanja Pirsig, Mario-Andreas von Lüttichau, 2008, Kat. Nr. 823

EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM, hrsg. i. Auftrag der »Freunde des Buchheim-Museums und der Buchheim Stiftung e. V.«, m. Texten von Christoph Vitali, Carla Schulz-Hoffmann, Hans Krieger, Clelia Segieth, Lothar-Günther Buchheim, Ellen Maurer, Ausst.-Kat. Haus der Kunst, München (29.07.–18.10.1998), Feldafing: Buchheim Verlag, 1998, Kat. Nr. 259

EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM. ARBEITEN AUF PAPIER, Ausst.-Kat. Ulmer Museum, Feldafing: Buchheim Verlag, 1989, Kat. Nr. 170 (ohne Abb.)

Lothar-Günther Buchheim: OTTO MUELLER, Feldafing: Buchheim Verlag, 1968, Abb. S. 85

Weitere Werke