Zimmer mit Akten

Erich Heckel

1910

Öl auf Leinwand

Bildmaß 96,0 x 120,5 cm
Rahmenmaß 120,0 x 143,0 x 7,5 cm


Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See


Inventarnummer: 0.00003b (Werk auf Vorderseite ansehen)

Alternativer Titel: Akte im Zimmer

Malerei, Ölfarben

KVZ/WVZ: Vogt 1910/17; Hüneke 1910-64

Ort: Europa, Deutschland, Sachsen, Dresden


Sammlungsbereich: Gemälde

Künstler/in: Erich Heckel


© Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen; VG Bild-Kunst, Bonn; Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg
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Beschreibung

Erich Heckel (1883–1970) verwirft sein Gemälde »Zimmer mit Akten«, spannt die Leinwand um und malt darauf eine Badeszene an den Moritzburger Teichen, »Am Waldteich« (Inv. 0.00003a). Die frühere Malerei bleibt unberührt, wird zwar als bemalte Rückseite im Katalog ERICH HECKEL. BILDER AUS DEN JAHREN 1906–1930 des Städtischen Museums Chemnitz erwähnt, soweit bekannt, jedoch erstmals 2012 in der Ausstellung UNBEKANNTE SCHÄTZE AUS DER BUCHHEIM'SCHEN EXPRESSIONISTENSAMMLUNG im Buchheim Museum präsentiert. Die übrige Biografie von »Zimmer mit Akten«, entspricht der des Gemäldes »Am Waldteich«.

Kurz nach seiner Entstehung im Jahr 1910/11 wird »Am Waldteich« von Erich Heckel (1883–1970) 1912 in der SONDERBUNDAUSSTELLUNG in Köln als Nr. 407 der Öffentlichkeit im Saal 16 vorgestellt. Es ist eine Ausstellung, die Wellen schlägt. Im offiziellen Führer zur Schau schreibt Herman von Wedderkop: »Bildern, wie Heckels ›Fasanenschlößchen‹ oder dem ›Waldteich‹ oder Kirchners ›Boskett‹ ist ein gewisser farbiger Klang nicht abzusprechen, dagegen ist sowohl in Zeichnung wie Farbe soviel [sic] Brutalität, daß sich die Wirkung auf eine mehr plakatistische reduziert.« Gemäß Ausstellungskatalog sind die nicht mit einem besonderen Eigentumsvermerk bezeichneten Kunstwerke verkäuflich – so auch Nr. 407, Heckels »Am Waldteich«. Der erste dokumentierte Eigentümer des Ölbildes, Felix Weise (1876–1961) aus Halle an der Saale, taucht nicht in der allgemeinen Leihgeberliste auf, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sich das Ölbild zum Zeitpunkt der Ausstellung noch im Eigentum des Künstlers befand und verkäuflich war. Im Katalog zur 15. AUSSTELLUNG DES DEUTSCHEN KÜNSTLERBUNDES, Chemnitz 1920, in dem das Bild als Nr. 99 geführt wird, wird keine Besitzerangabe gemacht. Andreas Hüneke verweist im Ausstellungsverzeichnis seines Werkverzeichnisses zu den Gemälden, Wandbildern und Skulpturen Erich Heckels darauf, dass das Bild auch in der Eröffnungsausstellung der Galerie Dr. Goldschmidt und Dr. Wallerstein in Berlin, die im Juni/Juli 1921 stattfindet, ausgestellt worden sei, was ein Hinweis für einen Eigentümerwechsel sein könnte. Unserer Kenntnis nach haben sich jedoch keine Geschäftsunterlagen der Galerie oder ein Ausstellungskatalog erhalten. In einer Ausstellungsbesprechung im Juli-Heft des KUNSTBLATTES wird eine »Landschaft mit Badenden« von 1910 als in dieser Schau präsentiert genannt, auf die sich Hüneke mit der Ausstellungsreferenz im Werkverzeichnis bezieht. Ob es sich tatsächlich um den »Waldteich« gehandelt hat, bleibt offen.

Vom 18.03. bis 30.04.1931 veranstaltet die Kunsthütte Chemnitz im Städtischen Museum am Theaterplatz eine Erich-Heckel-Ausstellung, in der auch der »Waldteich« ausgestellt wird. Im begleitenden Ausstellungskatalog wird der Sammler Felix Weise als Besitzer genannt, so dass der Erwerb des Gemäldes spätestens vor Ausstellungsbeginn 1931 zu datieren ist. Im Archiv der Kunstsammlungen Chemnitz konnten keine ergänzenden Archivalien zu der Ausstellung gefunden werden. Weises Interesse an Heckels Kunst ist jedoch über seine Funktion als Vorsitzender des Halleschen Kunstvereins überliefert: Weise schlägt ihn für eine Ausstellung im April 1914 vor, die jedoch erst 1919 realisiert wird. Aus einem Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Halle an der Saale, Richard Robert Rive (1864–1947), im Dezember 1924 wird deutlich, dass Weise mit dem Werk Heckels gut vertraut ist. Er tritt in beratender Funktion und als Kunstkenner auf, als die Stadt erwägt, Werke aus der Sammlung Ludwig und Rosy Fischer zu erwerben und schließt sein knappes Urteil mit den Worten: »Immerhin ist auch der Besitz einiger Bilder von Heckel aus dieser Sammlung ein wünschenswerter Gewinn.« Nach Einschätzung einer Forscherin, die sich mit der Genese der Sammlung Felix Weise eingehend beschäftigt hat und freundlich Auskunft zur Provenienz des Gemäldes erteilt hat, erwirbt Weise die Gemälde Heckels in seiner Sammlung vermutlich zwischen 1914 und 1924 bzw. wahrscheinlich eher zwischen 1919 und 1924.

Als Buchheim 1956 seine erste Publikation zur Künstlergemeinschaft »Brücke« veröffentlicht, verwendet er auch eine Abbildung des Bildes »Am Waldteich«. Das Abbildungsverzeichnis weist es als Eigentum der Sammlung Buchheim, Feldafing, aus.

Felix und Marie Weise (1879–unbekannt) bringen ab spätestens 1949 große Teile ihrer Sammlung über verschiedene Händler nach Westdeutschland. Sie wollen mit Verkäufen ihren Sohn Ruprecht (1914–1998) finanziell unterstützen, der die in Halle im Zuge der Bodenreform enteignete Pumpenfabrik in Bruchsal in Baden-Württemberg wieder aufbaut. Buchheim ist einer der Mittler. Er übernimmt das Gemälde gemeinsam mit zwei weiteren im Oktober 1950 für eine Ausstellung in seiner Galerie in Frankfurt am Main und eine geplante Auktion. Davor hatte er bereits ein Konvolut mit Grafik transportiert. Mit dem Transport nimmt er ein großes Risiko auf sich, denn die Ausfuhr von Kunstwerken aus der DDR ist streng verboten. Trotzdem wagt es Buchheim mehrere Male. Wie die Übernahmen abliefen, schildert Diethild Buchheim (1922–2014) in einer Eidesstattlichen Versicherung am 14.07.1997. Sie hatte von 1946 bis 1950 in Leipzig gelebt und im Buchhandel gearbeitet. Über die gemeinsamen Freunde, das ebenfalls im Buchhandel tätige Ehepaar Hilde und Kurt Gundermann (Lebensdaten unbekannt), lernt sie im Rahmen der Leipziger Buchmesse Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) kennen. Gundermanns waren auch mit dem Ehepaar Felix und Marie Weise bekannt, so dass sich um 1950 über eine geteilte Leidenschaft an der Kunst der Expressionisten eine Bekanntschaft zwischen Buchheim und dem Ehepaar Weise ergab. Infolgedessen übergaben sie Werke aus ihrer Sammlung an Buchheim. Die Ausstellung in der Galerie Buchheim-Militon findet im Sommer 1951 statt, zur Auktion kommt es nicht. In der ersten Jahreshälfte 1951 erwirbt Buchheim dieses Gemälde für seine eigene Sammlung.

Es ist ein Bild, das von da an, immer wieder für Ausstellungen angefragt wird und regelmäßig öffentlich Anerkennung erfährt. So bittet Heckel Buchheim in einem Brief, es zusammen mit dem »Schlafenden Pechstein« dem Museum in Duisburg für eine Heckel-Ausstellung vom 20. Juli bis Ende August 1957 als Leihgabe zur Verfügung zu stellen. Eine Anfrage, die Buchheim abgelehnt haben muss, da das Bild im Ausstellungskatalog nicht dokumentiert ist. Ewald Rathke oder Roman Norbert Ketterer gelingt es anscheinend jedoch, Buchheim zur Leihgabe des Bildes im gleichen Jahr im Württembergischen Kunstverein Stuttgart zu verpflichten (15.09.–27.10.1957), denn im begleitenden Ausstellungskatalog ist es unter der Kat.-Nr. 22 als Priavtbesitz ehemals Sammlung Felix Weise stammend dokumentiert. Am 9. August 1962 geht das Ölbild bis 2001 als Leihgabe Buchheims offiziell in den Bestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München über. Regelmäßige Ausstellungen im In- und Ausland folgen.

Da die Provenienz des Bildes für den Zeitraum von 1933 bis 1945 vollständig rekonstruierbar ist, kann ein NS-verfolgungsbedingter Entzug ausgeschlossen werden.

JL + RK

26.05.2023

Beschriftungen

rekto u. r. signiert (in schwarzer Farbe): Erich Heckel
verso o. l. signiert und datiert (in schwarzer Farbe, um 180° gedreht und zu Gemälde verso gehörig): E. Heckel / 10
Keilrahmen o. r. Klebeetikett (bedruckt): 745
Keilrahmen o. r. Klebeetikett (bedruckt): [Reste]
Keilrahmen l. m. Klebeetikett (bedruckt): 4431
Keilrahmen o. r. Klebeetikett (bedruckt und beschriftet, um 180° gedreht und vmtl. zu Gemälde verso gehörig): [...]901 / [...] [Erich] Hec[kel]
Keilrahmen r. o. Klebeetikett (bedruckt und in Schreibmaschine beschriftet, um 180° gedreht und zu Gemälde verso gehörig): [BAY]ERISCHE STAATS- / [GEMÄ]LDE-SAMMLUNGEN / [Inv.-Nr.] L. 928 / [Siegel BStGS] / [He]ckel Erich / [Wa]ldteich / 1910
Keilrahmen u. signiert, betitelt und datiert (in schwarzer Farbe, um 180° gedreht und zu Gemälde verso gehörig): Erich Heckel: »Waldteich« 1910

Provenienz

spät. 03/1931–16.01.1951/vor 30.06.1951: Felix (1876–1961) und Marie Weise (1879–unbekannt), Halle
17.10.1950: Übernahme für eine Ausstellung und Auktion durch Lothar-Günther Buchheim (1918–2007), Feldafing, in Halle von Felix (1876–1961) und Marie Weise (1879–unbekannt), Halle (verso von »Akte am Waldteich«)
16.01.1951/vor 30.06.1951–22.02.2007: Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing, erworben von Felix (1876–1961) und Marie Weise (1879–unbekannt), Halle
09.08.1962–26.04.2001: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, entliehen von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007), Feldafing (verso von »Waldteich«)
seit 22.02.2007: Buchheim Stiftung, Feldafing/Bernried, erworben im Erbgang von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und in konkludenter Schenkung von Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing

JL + RK

26.05.2023

Sammlung Buchheim
Sammlung Weise

Ausstellungen

ERICH HECKEL. EINFÜHLUNG UND AUSDRUCK, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See, 31.10.2020/09.03.2021–06.06.2021/20.06.2021

UNBEKANNTE SCHÄTZE AUS DER BUCHHEIM'SCHEN EXPRESSIONISTENSAMMLUNG, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See, 08.07.2012–07.10.2012

Literatur

Andreas Hüneke: ERICH HECKEL. WERKVERZEICHNIS DER GEMÄLDE, WANDBILDER UND SKULPTUREN, Bd. 1 (1904–1918), hrsg. v. Erich-Heckel-Stiftung, München: Hirmer Verlag, 2017, Kat. Nr. 1910-64, Abb. S. 123, Erw. S. 123

UNBEKANNTE SCHÄTZE AUS DER BUCHHEIM'SCHEN EXPRESSIONISTENSAMMLUNG, hrsg. v. Clelia Segieth, Ausst.-Kat. Buchheim Museum, Bernried (08.07–07.10.2012), Feldafing: Buchheim Verlag, 2012, Abb. S. U1; 2 u.; 25

Hanna Strzoda: DIE ATELIERS ERNST LUDWIG KIRCHNERS. EINE STUDIE ZUR REZEPTION ›PRIMITIVER‹ EUROPÄISCHER UND AUSSEREUROPÄISCHER KULTUREN, Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2006 (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte 35; Diss. Uni Bamberg 2004), Erw. S. 154

Wolfgang Henze: DIE PLASTIK ERNST LUDWIG KIRCHNERS. MONOGRAPHIE MIT WERKVERZEICHNIS, erschienen anlässlich der Ausstellung im Kirchner Museum Davos (15.12.2002–23.03.2003), Staatsgalerie Stuttgart (12.04.–27.07.2003), Wichtrach/Bern: Verlag Galerie Henze & Ketterer, 2002, Abb. S. 78 r. (Abb. 37)

Paul Vogt: ERICH HECKEL. MIT OEUVRE-KATALOG DER GEMÄLDE, WANDMALEREI UND PLASTIK, Recklinghausen: Verlag Aurel Bongers, 1965, Kat. Nr. 1910/17

ERICH HECKEL. BILDER AUS DEN JAHREN 1906–1930, hrsg. v. Kunsthütte Chemnitz, Ausst.-Kat. Städtisches Museum, Chemnitz (18.03.–30.04.1931), Kat. Nr. 9, Erw. S. 7

Weitere Werke