Versteckte Häuser

Ernst Ludwig Kirchner

um 1910

Tusche, in grüner Kreide durchkreuzt, auf Papier

Bildmaß 49,4 x 59,8 cm


Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See


Inventarnummer: 1.00201b (Werk auf Vorderseite ansehen)

Zeichnung, Tusche


Sammlungsbereich: Arbeiten auf Papier

Künstler/in: Ernst Ludwig Kirchner


Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg
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Beschreibung

Im Querformat malt Ernst Ludwig Kirchner eine Atelierszene mit drei Mädchen mit schwarzen langen Haaren, die sich in einem bunt ausgestalteten Raum aufhalten. Auffällig ist, dass Kirchner das mit Bleistift vorgezeichnete Rauminnere farbig fasst, während die drei Figuren bis auf die Haare nicht ausgemalt wurden. Auch die andere Blattseite benutzt der Künstler für eine Zeichnung. Mit Tusche entsteht eine Landschaft, auf der im Bildmittelgrund versteckt hinter dichtem, hohem Gras inmitten von Laubbäumen ein Hausdach zu sehen ist. Kirchner hat diese Tuschzeichnung verworfen, als er sie mit grüner Kreide durchgekreuzt.

Der Kunsthistoriker Will Grohmann datiert das auf beiden Blattseiten bemalte Werk in seiner Publikation von 1925 zu 100 Kirchner-Zeichnungen noch auf 1904. Auf der Blattseite mit den »Versteckten Häusern« befindet sich oben links um 180° Grad gedreht eine Bildbeschriftung für die Hauptbildseite mit einer späteren Datierung auf 1906: »Drei Mädchen / im Zimmer / 1906« . Unklar ist, wer Verfasserin oder Verfasser dieser Beschriftung gewesen ist. Eine Anpassung der Datierung von »Drei Mädchen im Zimmer« auf »um 1910« erfolgt spätestens 1973 im Rahmen der Ausstellung DIE KÜNSTLERGRUPPE »BRÜCKE« UND DER DEUTSCHE EXPRESSIONISMUS. SAMMLUNG BUCHHEIM vom 18.07. bis 30.09.1973. In ihrer Publikation DIE ATELIERS ERNST LUDWIG KIRCHNERS. EINE STUDIE ZUR REZEPTION ›PRIMITIVER‹ EUROPÄISCHER UND AUSSEREUROPÄISCHER KULTUREN bestätigt die Kunsthistorikerin Hanna Strzoda diese Datierung basierend auf ihren Recherchen zur Gestaltung von Kirchners Atelier in Dresden um 1910 und den in dieser Kreidezeichnung dargestellten Raumelementen wie dem »Zickzack-Kissen« und dem Zimmereingang.

Der Stempel des Ernst-Ludwig-Kirchner-Nachlasses, der auf der Blattrückseite überliefert ist, dokumentiert einen Verbleib des Aquarells im Eigentum der Erben von Ernst Ludwig Kirchner bis mindestens 1946, als der Stempel im Kunstmuseum Basel angebracht wird.

Die nummerische vierstellige Ziffernfolge mit einem vorangestellten »K«, die sich auf der durchkreuzten Blattseite unten links befindet, könnte ein Indiz dafür sein, dass es sich um eine Papierarbeit handelt, die der Berliner Kunsthändler Florian Karsch (1925–2015) aus dem Kirchner-Nachlass erworben hat. Diese Arbeitsthese ergibt sich aus den werkspezifischen Herkunftsrecherchen zu anderen Papierarbeiten, wie z. B. zu Kirchners Zeichnung »Fränzi mit Bogen« aus diesem Projekt, das eine vergleichbare Beschriftung aufweist. Eine entsprechende Anfrage an die Galerie Nierendorf blieb bisher unbeantwortet.

Ähnlich der Provenienz des Blattes »Modelle im Atelier« (Inv. 1.00200) bleibt der Erwerbungskontext, in dem Lothar-Günther Buchheim die beidseitig bemalte Zeichnung erworben hat, trotz umfassender Recherchen ungeklärt. Da die Papierarbeit aber in der eingangs erwähnten Ausstellung in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München vom 18.07. bis 30.09.1973 unserer Kenntnis nach erstmalig als Teil der Sammlung Buchheim präsentiert wird, ergibt sich ein Erwerbzeitpunkt vor der Ausstellung, d. h. vor Juli 1973. Im Archiv der Eheleute Buchheim konnten bisher keine werkspezifischen Quellen zu dem Erwerb dieser Arbeit gefunden werden, auch wenn aufgrund von Korrespondenzen belegt ist, dass es eine Arbeitsbeziehung zwischen Florian Karsch und Lothar-Günther Buchheim ab spätestens Ende der 1950er Jahre gegeben hat.

Die Provenienz ist für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 somit rekonstruierbar und unbedenklich. Sie schließt einen NS-verfolgungsbedingten Hintergrund aus, eine weitere Überprüfung ist nicht notwendig. Wir freuen uns über weiterführende Hinweise zu der Provenienzlücke nach 1945.

JL

20.03.2024

Beschriftungen

rekto o. l. beschriftet (in Bleistift, um 180° gedreht): 11
rekto o. l. beschriftet (in Bleistift, um 180° gedreht): Drei Mädchen / im Zimmer / 1906
rekto o. l. beschriftet (in rosa Kreide, um 90° nach links gedreht): 15
rekto o. m. betitelt, datiert und beschriftet (in Bleistift, um 180° gedreht): Abgeb. Grohmann. Zeichnungen Nr. 7 Drei junge Mädchen im Zimmer 1909
rekto o. r. Nass-Stempel (in Blau, in Tinte beschriftet, um 180° gedreht): NACHLASS / E.L.KIRCHNER / Fs Dre/Bg 14 [L.1570b]
rekto o. r. beschriftet (in Bleistift, um 180° gedreht): 1.00201
rekto o. r. beschriftet (in Bleistift, um 180° gedreht): K6337
rekto o. r. beschriftet (in Bleistift, um 90° nach links gedreht): 6185
rekto u. l. beschriftet (in rosa Kreide, um 90° nach links gedreht): 15
verso o. l. m. signiert (in Bleistift, um 180° gedreht): E L Kirchner

Provenienz

bis mind. 1946: Nachlass E. L. Kirchner
[...]
vor 1973–22.02.2007: Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing
seit 22.02.2007: Buchheim Stiftung, Feldafing/Bernried, erworben im Erbgang von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und in konkludenter Schenkung von Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing

JL

20.03.2024

Sammlung Buchheim

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