Vier Badende

Ernst Ludwig Kirchner

1913

Öl auf Leinwand

Bildmaß 80,5 x 71,3 cm
Rahmenmaß 101,0 x 91,0 x 9,0 cm


Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See


Inventarnummer: 0.00006b (Werk auf Vorderseite ansehen)

Malerei, Ölfarben

KVZ/WVZ: Gordon 218v

Ort: Europa, Deutschland, Ostsee, Schleswig, Fehmarn


Sammlungsbereich: Gemälde

Künstler/in: Ernst Ludwig Kirchner


Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg
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Beschreibung

In dem Jahr, in dem dieses farbenfrohe Stillleben entsteht, siedelt Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938) von Dresden nach Berlin um. Dort erhoffen er und die anderen Brücke-Künstler sich größeren künstlerischen Erfolg. Ob er das Bild in den darauffolgenden Jahren in Berlin ausstellt, ist nicht überliefert.

Erste Erwähnung findet »Stillleben mit Maske« unter einem abweichenden Titel in einem Brief, den der Sammler und Kunstmäzen Karl Ernst Osthaus (1874–1921) aus Hagen an Kirchner am 14.12.1917 schreibt. Er bezieht sich darin auf einen vorangegangenen Atelierbesuch bei dem Künstler in Berlin. Osthaus betont, mit wieviel Freude er Kirchners Entwicklung verfolgt habe und dass er ihn gerne durch einen Ankauf unterstützen möchte, mehr Anerkennung zu erfahren. Innerhalb einer Aufstellung von Gemälden, die Osthaus für seine Sammlung gegenüber Kirchner in die engere Wahl zieht, befindet sich auch »Stilleben mit Papageientulpen«. Der Herausgeber der Kirchner-Briefe, Hans Delfs, identifiziert das so bezeichnete Gemälde als das Stillleben Kirchners, das sich heute im Buchheim Museum befindet. In seinem Antwortschreiben umreißt Kirchner sein malerisches Anliegen mit diesen Worten: »Es erscheint mir immer das alte Ziel meiner Arbeit die eigene Person ganz auflösen zu können in dem empfinden der Umwelt, um dies in eine geschlossene malerische Form bringen zu können, u. alles was bisher entstanden ist, ist ein Anfang dazu der durch die jetzige Krankheit unterbrochen ist. Ich bin sehr froh, wenn Sie Werke in Ihre Sammlung aufnehmen wollen.« Weiter bietet er Osthaus die »Papageien Tulpen« für RM 600,– zum Kauf an. Am 19.01.1918 bestätigt Osthaus Kirchner, dass er die »Papageien« fest übernehmen will. Ob Osthaus das Bild zunächst für seine Privatsammlung oder bereits für sein Museum erwirbt, konnte im Rahmen des Forschungsprojektes nicht geklärt werden. Ebenso wurden die Datierungen für die Eigentümerwechsel vom Folkwang-Museum Hagen zum Essener Folkwang-Museumsverein, zu den Erben von Karl Ernst Osthaus und schließlich die Erwerbung durch das Museum Folkwang in Essen bis auf Weiteres aus allgemeinen Veröffentlichungen des Osthaus Museums in Hagen und des Museum Folkwang in Essen übernommen.

Werkspezifisch dokumentiert ist die weitere Provenienz des Bildes in der sogenannten Harry-Fischer-Liste, einem vollständig erhaltenen Exemplar des Inventarverzeichnisses der von den Nationalsozialisten aus Deutschen Museen und Kunstsammlungen aufgrund eines Führererlasses und dem »Gesetz über Einziehung von Erzeugnissen entarteter Kunst« beschlagnahmten Kunstwerke, als Nr. 330 (NS EK Inventar-Nr. 3671) aus dem Bestand des »Folkwang Museums« in Essen unter dem Titel »Stilleben mit Maske«. Die Liste beinhaltet nicht nur Werktitel nach Orten sortiert, sondern erteilt auch Auskunft zur Technik, den Käufern und Händlern sowie anhand eines Buchstabencodes die Art der Verwertung der beschlagnahmten Kunstwerke. Anhand eines Briefes an das Propagandministerium vom 04.03.1939, der sich heute im Bundesarchiv in Berlin befindet, ist das Interesse des Kunsthändlers Karl Buchholz (1901–1992) an einer »Verwertung« des farbenfrohen Stilllebens durch Verkauf an ein amerikanisches Museum überliefert. Darin spricht er von einem Gebot, das er von einem amerikanischen Museum für mehrere Kunstwerke habe, darunter auch das »Maskenstilleben« von Kirchner aus Essen. Ein Verkauf scheint jedoch nicht zustande gekommen zu sein, so dass das Stillleben am 07.03.1940 von der Galerie Ferdinand Möller im Tausch erworben wird.

Am 11.11.1946 dokumentiert der Bildhauer Kurt Reutti, der als freier Mitarbeiter der von Adolf Jannasch geleiteten Berliner Zentralstelle zur Erfassung und Pflege von Kunstwerken tätig ist, Kirchners »Stilleben mit Maske« im Besitz von Ferdinand Möller (1882–1956) bei einem Besuch des Händlers in seinem Haus in Zermützel. Reuttis Besuch bei Möller steht im Zusammenhang mit seinem Auftrag, Kunst- und Kulturgut, das im Rahmen der Aktion »Entartete Kunst« aus musealem Besitz beschlagnahmt wurde und damit in der sowjetischen Besatzungszone als »herrenlos« gilt, zu retten oder es »im Zusammenhang mit der Verordnung über die Bodenreform in der Mark Brandenburg unter den Schutz der Provinzialregierung« zu stellen. Die Recherchen in den Geschäftsbüchern aus dem Nachlass der Galerie Ferdinand Möller wie u. a. in dem Verkaufsbuch V, das Verkäufe zwischen 1937 bis 1943 dokumentiert, haben keine Hinweise auf den Verbleib des Gemäldes erbracht. Das Gemälde taucht jedoch in einer undatierten Liste neben 42 Werken auf, die Möller für darauffolgende Tausch- und Kaufverträge erstellt. Laut Roters‘ Publikation von 1984 handelt es sich dabei um Werke, die Möller im Einverständnis mit Rolf Hetsch, Kulturfunktionär im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, vorsorglich und rechtzeitig auf sein Lager nimmt, um sie dem unmittelbaren Zugriff durch andere zu entziehen.

Aus der im Archiv der Eheleute Buchheim überlieferten Korrespondenz zwischen Buchheim und Ferdinand Möller, geht hervor, dass Buchheim und Möller ab spätestens 1948 eine Geschäftsbeziehung pflegen und im Austausch stehen. Gegenstand der Korrespondenz ist vor allem ein unheitlich abgestimmter Transport von Bildern Möllers via Buchheim ans »Kölner Museum«. Am 16.05.1948 bezieht sich Buchheim jedoch konkret auf den Erwerb eines Kirchner-Gemäldes von Ferdinand Möller, als er offensichtlich enttäuscht schreibt: »Der Kirchner, den ich bei Günther Franke abgeholt habe, kann sich neben den anderen in keiner Weise halten. Es ist ein schwaches Bild, ein Bild, wie es im Atelier stehen bleibt, Kirchner hat es nicht einmal signiert wie die anderen Bilder. Er wird selbst kaum von dieser Arbeit überzeugt gewesen sein. Ich habe dafür und für die Graphik RM 32.000,- in Berlin gelassen. Das ist mein gesamtes bares Vermögen. Und ich bin des Erworbenen doch nicht froh.« Am 14.06.1948 antwortet Möller ihm: »Sie brauchten doch den Kirchner nicht zu kaufen!«. Zwar ist auch das »Stillleben mit Maske« unsigniert, dies ist jedoch nicht unüblich für Werke Kirchners, wie auch Möller gegenüber Buchheim in dem o. g. Brief anmerkt. Tatsächlich muss es sich jedoch um ein anderes Werk Kirchners handeln, was sich nicht mehr in der Sammlung des Buchheim Museums befindet. Denn nachweislich verkauft Möller dieses Stillleben erst 1952 zusammen mit dem Gemälde »Ruhende Frau« von Karl Schmidt-Rottluff (1884–1976) an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München. So konnte im Forschungsprojekt – aufgrund fehlender Inventarbücher – erst als letztes Puzzlestück der Erwerbungskontext durch Buchheim gesichert geklärt werden: Buchheim erwirbt das Gemälde am 16.06.1967 im Berner Auktionshaus Kornfeld und Klipstein in der Auktion 123 als Nr. 656 für einen Hammerpreis von CHF 35.000,-. Als Leihgabe Buchheims geht das Bild ab 16.07.1968 bis April 2001 dann wieder in den Sammlungsbestand der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München ein.

JL

15.02.2021

Beschriftungen

Keilrahmen o. l. beschriftet (in schwarzer Ölkreide): 1555 [eingekästelt]
Keilrahmen o. m. Klebeetikett (in Bleistift beschriftet): Kirchner / Still[eben mit Maske] / [...] Folkw[ang?]
Keilrahmen o. m. Nass-Stempel (in Blau): [...] [um Adler]
Keilrahmen u. l. Klebeetikett (bedruckt und in Schreibmaschine beschriftet): BAYERISCHE STAATS- / GEMÄLDESAMMLUNGEN / MÜNCHEN / Inv.-Nr. L. 1231 / [Siegel BStGS] / Ernst Ludwig / Kirchner: [unterstrichen] / Stilleben mit / Maske.
Keilrahmen u. l. Klebeetikett (in Schreibmaschine beschriftet): Ernst Ludwig Kirchner / 27. Stilleben mit Maske, 1911 / Öl auf Leinwand, 80 x 70,8 cm
Keilrahmen u. m. Klebeetikett (bedruckt und in blauem Kugelschreiber beschriftet): tel aviv museum 27 shaul hamelech blvd. tel aviv [rech / Title Stilleben mit Kiste [sic] / Lender W. Lehmbruck Museum, Duisburg / Cat. No. 65te Seite jeweils hebräische Übersetzung] / Exhibition Expressionists – The Buchheim Coll. / Date 1.6.–30.7.83 / Artist E. L. KIRCHNERR / Title Stilleben mit Kiste [sic] /Lender W. Lehmbruck Museum, Duisburg / Cat. No. 65

Provenienz

1918–o. D.: Karl Ernst Osthaus (1884–1921), Hagen, erworben vom Künstler
o. D.–1922: Folkwang-Museum, Hagen
1922: Erben Karl Ernst Osthaus
1922: Folkwang-Museumsverein Essen, erworben von den Erben Karl Ernst Osthaus
1922–25.08.1937: Museum Folkwang, Essen
25.08.1937–07.03.1940: Deutsches Reich/Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda, Beschlagnahme, Berlin, Tausch (NS EK Inventar-Nr. 3671)
1938 (August)–1940: Depot Schloss Schönhausen, Berlin, Lagerung »international verwertbare Kunstwerke«
07.03.1940–1943: Galerie Ferdinand Möller, Berlin, Tausch
1943–1949: Kunsthändler Ferdinand Möller (1882–1956), Zermützel, Auslagerung
o. D.: [...]
spät. 1962–22.02.2007: Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing
1962 (August)–26.04.2001: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, entliehen von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007), Feldafing
seit 22.02.2007: Buchheim Stiftung, Feldafing/Bernried, erworben im Erbgang von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und in konkludenter Schenkung von Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing

JL

15.02.2021

Sammlung Buchheim

Ausstellungen

UNBEKANNTE SCHÄTZE AUS DER BUCHHEIM'SCHEN EXPRESSIONISTENSAMMLUNG, Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See, 08.07.2012–07.10.2012

Literatur

DER DOPPELTE KIRCHNER. DIE ZWEI SEITEN DER LEINWAND, hrsg. v. Inge Herold, Ulrike Lorenz und Thorsten Sadowsky, m. Texten von Ulrike Lorenz, Thorsten Sadowsky, Lucius Grisebach, Inge Herold, Aya Soika, Wolfgang Henze, Ausst.-Kat. Kunsthalle Mannheim (06.02.–31.05.2015), Kirchner Museum Davos (21.06.–08.11.2015), Köln: Wienand Verlag, 2015, Kat. Nr. D37, Abb. S. 152 r.

Donald E. Gordon: ERNST LUDWIG KIRCHNER. MIT EINEM KRITISCHEN KATALOG SÄMTLICHER GEMÄLDE, München: Prestel-Verlag, 1968, Kat. Nr. 218v

Weitere Werke