Liebespaar
Ernst Ludwig Kirchner
um 1905
Schwarze Kreide auf Packpapier
Bildmaß 44,2 x 34,5 cm
Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See
Inventarnummer: 1.00179b (Werk auf Vorderseite ansehen)
Zeichnung, Schwarze Pigmente
Ort: Europa, Deutschland, Sachsen, Dresden
Sammlungsbereich:
Arbeiten auf Papier
Künstler/in: Ernst Ludwig Kirchner
Reproduktion: Nikolaus Steglich, Starnberg
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Beschreibung
Mit wenigen schwarzen Kreidestrichen stellt Ernst Ludwig Kirchner in dieser Zeichnung einen Mann und eine Frau beim Liebesspiel dar. Auch auf der Blattrückseite ist ein Paar in zärtlichem Miteinander zu sehen. Die Perspektiven für die beiden Darstellungen sind unterschiedlich gewählt. Auf der Hauptbildseite wird der Betrachter in die Vogelperspektive versetzt, während man die beiden Akte auf der Bildrückseite von der Seite sieht. Kirchner setzt seine Signatur mit Bleistift mittig unten links unter das Schienbein des Mannes, so dass sie Teil des Bildes wird und datiert die Zeichnung auf 1905, dem Gründungsjahr der Künstlergemeinschaft »Brücke«.Auch für diese Zeichnung ist vor Projektbeginn kein Erwerbungskontext bekannt gewesen. Erst der Abgleich von Forschungsobjekten mit im Kunstmarkt auf nationalen und internationalen Auktionen angebotenen Objekten auf Basis der in der Privatbibliothek der Eheleute Buchheim überlieferten Auktionskataloge (ab ca. 1948 bis 1990) im Rahmen eines Digitalisierungsprojektes ermöglichte es, auch für diese Zeichnung das Stuttgarter Kunstkabinett als Erwerbungsort zu identifizieren. Dort ersteigerte Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) das »Liebespaar« in der 19. Auktion am 19.05.1954 als Los-Nr. 1116. Durch die freundliche Auskunft des Archivs Stuttgarter Kunstkabinett Roman Norbert Ketterer konnte nicht nur Buchheims Erwerb eindeutig geklärt, sondern auch der bis dahin angenommene Einlieferer Frédéric Bauer (1883–1957) bestätigt werden. Dieser war als Voreigentümer durch eine im Ausstellungskatalog veröffentlichte Literaturreferenz belegt. Weiterhin war durch den Bericht des Auktionators Roman Norbert Ketterer, dass die 19. Auktion eine Fortsetzung eines sukzessiven Veräußerungsprozesses von Bauers Sammlung gewesen sei. Auf der Blattrückseite ist genau die Katalognummer dokumentiert, unter der die Zeichnung im Katalog zur Ausstellung ERNST LUDWIG KIRCHNER. GEMÄLDE UND GRAPHIK DER SAMMLUNG DR. F. BAUER, DAVOS vom 25.10. bis 14.12.1952 im Haus der Kunst in München dokumentiert ist: »Kat. N° 44«. Wegen der ungewöhnlichen Großbuchstaben ist der Name der über der Katalognummer angebracht wurde, nicht eindeutig lesbar: »Frau Bauer [?]«. Verheiratet war Bauer nicht. Es könnte sich aber um seine Mutter handeln. Grundsätzlich ist nicht auszuschließen, dass sie, Louise Bauer, geb. Lodemann (1849–unbekannt), Voreigentümerin des Blattes gewesen ist, da sie ab 1924 bei ihm in Davos wohnte und damit auch eine Beziehung zu Kirchner und dessen Werk gehabt haben dürfte. Falls dem so gewesen ist, dürfte Bauer die Kreidezeichnung im Erbgang erworben haben. In der uns bekannten Sekundärliteratur zu Bauer ist seine Mutter zwar als enge Bezugsperson und Dargestellte im Werk von Kirchner überliefert, aber nicht als eigenständige Sammlerin. Außerdem wären die erotischen Darstellungen ein ungewöhnlicher Sammlungsgegenstand für eine bei ihrem Sohn lebende Frau.
Bei der Datierung der Zeichnung ging Lothar-Günther Buchheim von einer Vordatierung aus, wie sie für Kirchners Werk vielfach überliefert und belegt ist. Denn in der Ausstellung GERMAN EXPRESSIONISM. WATERCOLORS, PRINTS AND DRAWINGS BY THE PAINTERS OF THE BRÜCKE, die in London (20.09.–02.11.1969), Southampton (06.12.–27.12.1969) und Bradford (03.–24.01.1970), in der »Two Lovers« zum ersten Mal als Teil von Buchheims Sammlung ausgestellt wird, datiert er das Blatt auf 1909/10. Diese Datierung übernimmt er auch für den Katalog zur Ausstellungstournee seiner Sammlung unter dem Titel EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM ab 1981 in verschiedenen Museen auf der ganzen Welt und kommentiert: »Eine charakteristische Zeichnung aus der nun voll entwickelten Dresdener Brückezeit Kirchners in ihren sicheren, sinnlich warmen und runden, spontan hingeschriebenen Formen. Das Stimulans des Erotischen gibt der Zeichnung zusätzlich Nerv und Kraft. Wieder, wie so oft bei Kirchner, die eigenhändige, bewußt irreführende Vordatierung.«
Die Provenienz ist für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 rekonstruierbar und unbedenklich. Sie schließt einen NS-verfolgungsbedingten Hintergrund aus.
JL
21.09.2023
Beschriftungen
rekto o. r. beschriftet (in Bleistift): 29 [in eckigen Klammern]rekto o. r. beschriftet (in Bleistift): 90 [eingekreist]
rekto o. r. beschriftet (in Bleistift): 1
rekto r. m. beschriftet (in Bleistift): Frau Bauer [?] / Kat. N° 44
rekto u. r. beschriftet (in Bleistift): 139 [eingekreist]
verso l. o. beschriftet (in Bleistift): E L Kirchner 05.
Provenienz
vmtl. spät. 1932–1954: Frédéric Bauer (1883–1957), Davos/Etoy, erworben vom Künstler [1]19.05.1954: Stuttgarter Kunstkabinett, Stuttgart, 19. Auktion, Nr. 1116, eingeliefert von »Dr. Bauer, Etoy« [2]
19.05.1954–22.02.2007: Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing, erworben im Stuttgarter Kunstkabinett, Stuttgart, 19. Auktion
seit 22.02.2007: Buchheim Stiftung, Feldafing/Bernried, erworben im Erbgang von Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und in konkludenter Schenkung von Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing
JL
21.09.2023
Sammlung Buchheim
Sammlung Frédéric Bauer