Häuser in Dresden I

Ernst Ludwig Kirchner

1910

Bleistift auf Papier

Bildmaß 16,4 x 20,3 cm


Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See


Inventarnummer: 1.06418

Zeichnung, Schwarze Pigmente

Ort: Europa, Deutschland, Sachsen, Dresden


Sammlungsbereich: Arbeiten auf Papier

Künstler/in: Ernst Ludwig Kirchner


Reproduktion: Bildarchiv Buchheim Museum
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Beschreibung

Gerd Presler erläutert zu Ernst Ludwig Kirchners Skizzenbüchern, wie stark diese geprägt sind von Kirchners Suche nach klaren kurzen Zeichen, die Kirchner selbst »Hieroglyphen« nennt. Dabei geht es dem Maler nicht um Schriftzeichen, sondern um Formelemente, die frei gestaltet werden, aber einer Art Ordnungsgesetz folgen und die Verbindung zum Leben suchen bzw. sich aus dem Naturstudium ergeben. In der Ausstellung UNBEKANNTE SCHÄTZE AUS DER BUCHHEIM'SCHEN EXPRESSIONISTENSAMMLUNG, die vom 08.07. bis 07.10.2012 im Buchheim Museum zu sehen war, wurde auch diese Zeichnung, »Häuser in Dresden I«, gezeigt. Im begleitenden Katalog nutzt die Kuratorin der Ausstellung, Clelia Segieth, diese Zeichnung im Vergleich zu einer weiteren Darstellung, »Häuser in Dresden II« (Inv. 1.00281), um die Arbeitsweise von Kirchner zu erläutern. Dabei vermutet sie, dass es Kirchner darum geht, die Strukturen des Geländes in Linien und Flächen zu unterteilen. In dieser Zeichnung benutzt er hierfür nur die Umrisslinien, während er in der anderen auch den Tuschpinsel nutzt, um Flächen, wie die Hausdächer auszumalen.

Die Schwierigkeit, die sich für ca. 70 Papierarbeiten von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Forschungsbestand im Laufe des Projektes ergeben hatte, war es, den richtigen Erwerbungskontext durch Buchheim zu identifizieren und damit auch die werkrelevante Herkunft zu rekonstruieren. Anders als die meisten anderen Papierarbeiten weist diese Zeichnung auf der Blattrückseite einen Herkunftshinweis auf. Besonders an diesem Merkmal ist aber, dass es im Zusammenhang mit der Entstehung des Werkes steht und nicht mit einem Eigentumstransfer. Der Aufdruck, mit dem das Papier im Landschaftsformat am oberen Blattrand mit dem Namenszug des Kaiserlichen Postamtes in Aurich versehen ist und der dahinter gepunkteten Linie für eine handschriftliche Eintragung eines Datums mit freier Angabe von einem Tag, Monat und einem Jahr zwischen 1900 und 1909, ermöglicht eine Datierung des Papiers zwischen genau diesen Jahren. Offensichtlich wurde das auf diese Weise für das Postamt angefertigte Briefpapier jedoch nicht benutzt. Zwei weitere Zeichnungen von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Forschungsbestand, »Nackter mit Bumerang« (Inv. 1.06388) und »Bumerangwerfer« (Inv. 1.06379) tragen auf der Blattrückseite genau denselben Aufdruck. Ein Werkvergleich der drei Zeichnungen untereinander führte dann zu der Erkenntnis, dass es sich um Arbeitsmaterial für Kirchner gehandelt haben muss, da alle drei Blätter dieselbe Blattgröße von 16,4 x 20,2 cm aufweisen. Ergänzende Vergleiche mit Zeichnungen Kirchners, die im Kunsthandel verkauft wurden , bestätigten diese Vermutung. Wie Kirchner an einen Stapel von Briefpapier des Kaiserlichen Postamtes in Aurich gelangte, konnte im Rahmen des Projektes nicht rekonstruiert werden. Dass er es kurz nach 1909 als Bildträger genutzt haben muss, ergibt sich aus der Datierung des Papiers, das erst nach 1909 für das Postamt unbrauchbar geworden war. So ergibt sich aus der Objektautospie ein Hinweis auf einen Entstehungszeitraum dieser Zeichnung, der in Bezug zu den beiden anderen Zeichnungen im Forschungsbestand, deren Motive und stilistische Vergleiche weiter auf das Jahr 1910 eingegrenzt werden konnte.

Ausgehend von internen Quellenrecherchen innerhalb der Katalogbestände in der Privatbibliothek der Eheleute Buchheim konnte festgestellt werden, dass Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) mindestens zwei Sammelnummern mit insgesamt ca. 130 Blättern von Ernst Ludwig Kirchner zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten im Auktionshaus Kornfeld & Klipstein erworben hatte. Wir bedanken uns in diesem Zusammenhang herzlich für die kollegiale Unterstützung durch das Archiv Kornfeld, die uns Buchheims Erwerbung der Sammelnummer 635 in der Auktion 137 am 18.06.1970 »von 30 Blatt Zeichnungen und Skizzen« bestätigte, aber auch seinen Erwerb der Sammelnummer 543 in der Auktion 142 am 10.06.1971 »von ca. 100 Blatt Zeichnungen und Skizzen« . Dokumentationen zu dem genauen Inhalt der Sammelnummern gibt es im Archiv der Galerie Kornfeld nicht. Die jeweils leicht unterschiedlichen Losbeschreibungen haben aber eins gemeinsam: beide Sammelkonvolute stammen ehemals aus der Sammlung Lise Gujer aus Davos-Sertig, wie im Katalog dokumentiert ist, auch wenn sie nicht als solche durch einen Stempelabdruck gekennzeichnet wurden. Da uns aufgrund fehlender einzelwerkrelevanter Angaben zu den ca. 130 Papierarbeiten keine Werkidentifizierung möglich war, haben wir ausgehend von den Angaben in den Losbeschreibungen die Zeichnungen Kirchners ihrem Motiv, ihrer Darstellungsweise oder ihrer Größe nach einem oder alternativ beiden Erwerbungsmomenten und damit Sammelnummern zugeordnet. Da jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass Buchheim die eine oder andere Zeichnung Kirchners, die die erwähnten Charakteristika aufweist, in einem völlig anderen Kontext erworben hat, wurden die entsprechenden Provenienzangaben, wie auch bei dieser Zeichnung, mit einem »vermutlich« oder sogar »eventuell« versehen.

Die Losbeschreibung von Nr. 635 aus der Auktion 137 korrespondiert mit dieser Bleistiftskizze aufgrund des Verweises auf die Entstehungszeit des Konvoluts mit der Angabe »30 Blatt Zeichnungen und Skizzen in versch. Techniken und leicht differierenden Formaten, meist etwa 25:20 cm. 30 Blatt Zeichnungen aus der Dresdner und Berliner Zeit mit zum Teil ausgeführten Blättern.« Diese Bleistiftskizze lässt sich aufgrund des Bildmotivs von Häusern in Dresden auf eben diesen Entstehungszeitraum datieren, auch wenn das Blattformat etwas kleiner ist als das in der Sammelnummer angegebene.

Selbst wenn Buchheim die Zeichnung nicht in der Auktion 137, sondern ein Jahr später in der Auktion 142 erworben haben sollte, bleibt die Herkunft und damit die Provenienzkette vor Erwerbungszeitpunkt identisch: Lise Gujer (1893–1967) erwirbt die Papierarbeit aus Künstlerbesitz oder aus dem Nachlass Kirchners. Zu der Entstehung der Sammlung Lise Gujer wurde eine separate Chronologie verfasst.

Aufgrund dessen, dass die Zuordnung dieser Papierarbeit zu dem geschilderten Erwerbungszeitpunkt ohne konkrete werkbezogene Primärquelle rekonstruiert wurde und somit im Ergebnis nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Herkunft eine andere als die vermutete ist, schließen die Recherchen, ohne dass die Provenienz für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 eindeutig geklärt werden konnte. Möglicherweise bestehen Provenienzlücken. Die Herkunft muss bei Gelegenheit weiter erforscht werden.

JL

06.09.2024

Beschriftungen

verso o. beschriftet (in Buchdruck): Kaiserl. Postamt. Aurich,...........................190....

Provenienz

spät. 1946–1967: vmtl. Lise Gujer (1893–1967), Davos-Sertig, erworben aus Künstlerbesitz oder aus Nachlass Kirchner
1967–18.06.1970: vmtl. Erben Gujer
18.06.1970: Kornfeld & Klipstein, Bern, Auktion 137, vmtl. Nr. 635 Teil von Sammelkonvolut (Werkzuordnung zum Konvolut ungesichert, aber aufgrund von Motiv wahrscheinlich), eingeliefert von vmtl. Erben Gujer
vmtl. 18.06.1970/spät. 2004–08.03.2014: Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing, erworben vmtl. bei Kornfeld & Klipstein, Bern, Auktion 137
seit 08.03.2014: Buchheim Stiftung, Feldafing/Bernried, erworben im Erbgang von Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing

JL

06.09.2024

Sammlung Lise Gujer
Sammlung Buchheim

Literatur

UNBEKANNTE SCHÄTZE AUS DER BUCHHEIM'SCHEN EXPRESSIONISTENSAMMLUNG, hrsg. v. Clelia Segieth, Ausst.-Kat. Buchheim Museum, Bernried (08.07–07.10.2012), Feldafing: Buchheim Verlag, 2012, Kat. Nr. 14, Abb. S. 18, Erw. S. 66

AUKTION 137, MODERNE KUNST DES NEUNZEHNTEN UND ZWANZIGSTEN JAHRHUNDERTS. SAMMLUNG G.B.Z., H. VON H., L. K. UND WEITERE SAMMLUNGEN UND BESTÄNDE AUS VERSCHIEDENEN SCHWEIZERISCHEN UND AUSLÄNDISCHEN PRIVATSAMMLUNGEN, Kornfeld & Klipstein, Bern (17.–19.06.1970), Kat. Nr. vmtl. 635

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