Fränzi mit Bogen

Beschreibung

Die Künstlergruppe »Brücke« entdeckt Franziska Fehrmann (1900–1950), genannt »Fränzi«, als sehr junges weibliches Aktmodell 1909. Sie taucht in Kirchners Werk ab 1909 sowohl in Gemälden als auch in der Grafik vielfach auf. In dieser Tuschezeichnung posiert sie mit Pfeil und Bogen in Kirchners Atelier in Dresden. Die Kunsthistorikerin Hanna Strzoda, die sich eingehend mit der Rezeption von »primitiven« europäischen und außereuropäischen Kulturen in Kirchners Atelier bzw. seinem Oeuvre beschäftigt hat, kommt aufgrund einer Darstellung von »Fränzi mit Bogen« in Öl auf Leinwand, um 1910, zu der Schlussfolgerung, »dass das Bogenschießen tatsächlich in den ›Brücke‹-Ateliers ausgeübt und über Bewegungsstudien hinaus auch malerisch umgesetzt wurde« . Strzoda sieht in dieser motivischen Bezugnahme eine bewusste Annäherung Kirchners an die sogenannte »primitive« Lebensform der Eingeborenen, mit der er sich immer identifizierte.

Auf der Rückseite der Zeichnung befindet sich unten links der Stempel des E.-L.-Kirchner-Nachlasses, der 1946 im Zusammenhang mit seiner Inventarisierung angebracht wurde. Die Zeichnung wird spätestens vom 20.11.1961 bis 28.02.1962 in der Ausstellung E. L. KIRCHNER. AQUARELLE, PASTELLE, HANDZEICHNUNGEN. SONDERKATALOG DER GALERIE META NIERENDORF für einen dokumentierten Preis von DM 850,– zum Verkauf angeboten, wie der Katalog per Preisliste dokumentiert. Frühere Ausstellungen, in denen die Papierarbeit gezeigt wurde, konnten bisher nicht identifiziert werden.

Wie aus der Veröffentlichung zur Galerie Nierendorf von Yvonne Groß hervorgeht, erwirbt der Kunsthändler Florian Karsch (1925–2015), Inhaber der Galerie Nierendorf, insbesondere über Auktionen von Kornfeld und Klipstein in Bern Werke aus dem Nachlass E. L. Kirchners. Der Kunsthändler Eberhard W. Kornfeld (1923–2023) erinnerte sich sogar daran, dass Karsch mehrere hundert Kirchner-Skizzen aus der Sammlung Lise Gujer nach Erwerb mit einem eigenen Stempel versehen hat. Ein Stempelabdruck der Galerie Nierendorf ist auf dieser Zeichnung jedoch nicht überliefert. Auf der Blattrückseite ist u. a. eine vierstellige Nummer mit dem vorangestellten Buchstaben »K« überliefert: »K4836«. Eine vergleichbare Bezeichnung ist auch auf den Blattrückseiten von zwei anderen Papierarbeiten aus dem Forschungsbestand des Buchheim Museums zu finden, die ebenfalls Bestandteil der o. g. Ausstellung der Galerie Meta Nierendorf 1961 gewesen sind. Handelt es sich möglicherweise um eine Inventarnummer, die von Karsch angebracht wurde? Neben den bereits erwähnten anderen beiden Papierarbeiten weisen auch weitere Zeichnungen von Ernst Ludwig Kirchner aus dem derzeitigen Forschungsbestand vergleichbare Beschriftungen in Bleistift auf. Dabei handelt es sich um Papierarbeiten Kirchners, die aus dem Nachlass stammen, für die der Verbleib danach aber nur teilweise rekonstruiert werden konnte, so dass durchaus denkbar ist, dass auch diese in Herkunftsbeziehung zur Galerie Nierendorf stehen. Eine entsprechende Anfrage an die Galerie, die diese Arbeitsthese zur umseitig angebrachten Bezeichnung be- oder widerlegen könnte, wurde per E-Mail im Oktober 2023 gestellt. Eine Antwort steht noch aus. Soweit uns bekannt, ist das Archiv der Galerie Nierendorf auch nach Anmeldung für Besucherinnen und Besucher nicht zugänglich. Ob Lothar-Günther Buchheim »Fränzi mit Bogen« im Rahmen der Ausstellung von 1961 von Karsch bzw. der Galerie Nierendorf erwirbt oder von einem Dritten zu einem anderen Zeitpunkt nach der Ausstellung, konnte bisher nicht geklärt werden. Im Archiv der Eheleute Buchheim konnten bisher keine werkbezogenen Unterlagen gefunden werden. Als Teil der Sammlung Buchheim ist die Tuschezeichnung spätestens ab 1981 nachweisbar, da sie als Exponat in der Ausstellung EXPRESSIONISTEN. SAMMLUNG BUCHHEIM zwischen 1981 bis 1982 in nationalen und internationalen Museen ausgestellt wird.

Die Provenienz ist für den Zeitraum zwischen 1933 und 1946 rekonstruierbar und unbedenklich. Sie schließt einen NS-verfolgungsbedingten Hintergrund aus. Wir freuen uns überweiterführende Auskünfte zur Herkunft zwischen 1946 bis spät. 1981.

JL

15.11.2023