Sitzendes Mädchen

Ernst Ludwig Kirchner

1909/10

Bleistift auf Papier, kariert, aus Skizzenbuch herausgetrennt

Bildmaß 20,6 x 13,1 cm


Buchheim Museum der Phantasie, Bernried am Starnberger See


Inventarnummer: 1.06368

Zeichnung, Schwarze Pigmente


Sammlungsbereich: Arbeiten auf Papier

Künstler/in: Ernst Ludwig Kirchner


Reproduktion: Bildarchiv Buchheim Museum
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Beschreibung

Mit nur wenigen Bleistiftlinien entwirft Ernst Ludwig Kirchner eine Darstellung eines »Sitzenden Mädchens«. Anhand der Blattkanten, von denen die der rechten Seite abgerundete Ecken haben, und des leichten Karodrucks auf dem Papier, lässt sich die Skizze als eine aus einem Skizzenbuch Kirchners erkennen. Zwar gibt es nicht besonders viele Skizzenbücher mit kariertem Papier, so dass eine mögliche Zuordnung in eines der von Gerd Presler beforschten und veröffentlichten Skizzenbüchern Kirchners, auf den ersten Blick leicht erscheint, trotzdem ist es der Autorin auf Basis der vorliegenden Objektdaten vorerst nicht gelungen. Wir danken Gerd Presler für das kollegiale Angebot, seinerseits eine »Rückordnung« zu versuchen.

Die Schwierigkeit, die sich für ca. 70 Papierarbeiten von Ernst Ludwig Kirchner aus dem Forschungsbestand und damit auch für das »Sitzende Mädchen« im Laufe des Projektes ergeben hatte, war es, den richtigen Erwerbungskontext durch Buchheim zu identifizieren und damit auch die werkrelevante Herkunft zu rekonstruieren. Dieses und mehrere andere Blätter aus dem Forschungsbestand haben gemeinsam, dass sie alle von Ernst Ludwig Kirchner stammen, undatiert sind, keine Herkunftshinweise wie Nachlass-Stempel aufweisen und entweder einen skizzenhaften Charakter haben oder wie dieses hier aus einem Skizzenbuch herausgelöst wurden. Zwar trägt die Blattrückseite dieser Zeichnung eine fragmentarische Beschriftung in Tusche, diese dürfte aber vom Künstler stammen.

Die erwähnten objektrelevanten Angaben passen zu den dokumentierten Charakteristika von zwei Sammelnummern in zwei unterschiedlichen Auktionen von insgesamt ca. 130 Papierarbeiten, die Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) am 18.06.1970 und am 10.06.1971 im Berner Auktionshaus Kornfeld & Klipstein tätigte. Entsprechende Annotationen in Auktionskatalogen, überliefert in der Privatbibliothek der Eheleute Buchheim, gaben hierfür erste Hinweise. Wir bedanken uns herzlich für die Auskunft aus dem Archiv Kornfeld, dass Buchheim sowohl der Käufer von Sammelnummer 635 in der Auktion 137 am 18.06.1970 »von 30 Blatt Zeichnungen und Skizzen« war, als auch der Erwerber von Sammelnummer 543 in der Auktion 142 am 10.06.1971 »von ca. 100 Blatt Zeichnungen und Skizzen« . Dokumentationen zu dem genauen Inhalt der Sammelnummern gibt es im Archiv der Galerie Kornfeld nicht. Die jeweils leicht unterschiedlichen Losbeschreibungen haben aber eins gemeinsam: beide Sammelkonvolute stammen ehemals aus der Sammlung Lise Gujer aus Davos-Sertig gemäß Katalogbeschreibung, auch wenn sie nicht als solche durch einen Stempelabdruck gekennzeichnet wurden. Da uns aufgrund fehlender einzelwerkrelevanter Angaben zu den ca. 130 Papierarbeiten keine Werkidentifizierung möglich war, haben wir ausgehend von den Angaben in den Losbeschreibungen die Zeichnungen Kirchners ihrem Motiv, ihrer Darstellungsweise oder ihrer Blattgröße nach einem oder alternativ beiden Erwerbungsmomenten zugeordnet. Da jedoch nicht ausgeschlossen werden kann, dass Buchheim die eine oder andere Zeichnung Kirchners, die die erwähnten Charakteristika aufweist, in einem völlig anderen Kontext erworben hat, wurden die entsprechenden Provenienzangaben, wie auch bei dieser Zeichnung, mit einem »vermutlich« oder sogar »eventuell« versehen.

Die Losbeschreibung von Nr. 635 aus der Auktion 137 korrespondiert mit der Datierung von »Sitzendes Mädchen« auf 1909/10 aufgrund der Datierungsangabe im Katalog, die »30 Blatt Zeichnungen aus der Dresdner und Berliner Zeit mit zum Teil ausgeführten Blättern.« Selbst wenn Buchheim diese Papierarbeit nicht in der Auktion 137, sondern ein Jahr später in der Auktion 142 erworben haben sollte, bleibt die Herkunft und damit die Provenienzkette nach dem Künstler identisch: Lise Gujer (1893–1967) erwirbt die Papierarbeit aus Künstlerbesitz oder aus dem Nachlass Kirchners (vgl. Chronologie Sammlung Lise Gujer). Aus dieser Information ergibt sich wiederum die Erkenntnis, dass es sich vermutlich nicht um NS-Raubkunst handelt. Da jedoch die Zuordnung von »Sitzendes Mädchen« zu dem geschilderten Erwerbungszeitpunkt ohne konkrete werkbezogene Primärquelle rekonstruiert wurde und somit im Ergebnis nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Herkunft eine andere als die vermutete ist, schließen die Recherchen, ohne dass die Provenienz für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 eindeutig geklärt werden konnte. Möglicherweise bestehen Provenienzlücken. Die Herkunft muss bei Gelegenheit weiter erforscht werden.

JL

13.09.2024

Beschriftungen

verso u. m. beschriftet (in Tusche, um 180° gedreht): E[...]

Provenienz

spät. 1946–1967: vmtl. Lise Gujer (1893–1967), Davos-Sertig, erworben aus Künstlerbesitz oder aus Nachlass Kirchner
1967–18.06.1970: vmtl. Erben Gujer
18.06.1970: Kornfeld & Klipstein, Bern, Auktion 137, vmtl. Nr. 635 Teil von Sammelkonvolut (Werkzuordnung zum Konvolut ungesichert, aber aufgrund von Motiv wahrscheinlich), eingeliefert von vmtl. Erben Gujer
vmtl. 18.06.1970/spät. 2004–08.03.2014: Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) und Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing, erworben vmtl. bei Kornfeld & Klipstein, Bern, Auktion 137
seit 08.03.2014: Buchheim Stiftung, Feldafing/Bernried, erworben im Erbgang von Diethild Buchheim (1922–2014), Feldafing

JL

13.09.2024

Sammlung Lise Gujer
Sammlung Buchheim

Literatur

AUKTION 137, MODERNE KUNST DES NEUNZEHNTEN UND ZWANZIGSTEN JAHRHUNDERTS. SAMMLUNG G.B.Z., H. VON H., L. K. UND WEITERE SAMMLUNGEN UND BESTÄNDE AUS VERSCHIEDENEN SCHWEIZERISCHEN UND AUSLÄNDISCHEN PRIVATSAMMLUNGEN, Kornfeld & Klipstein, Bern (17.–19.06.1970), Kat. Nr. vmtl. 635

Weitere Werke