Porträtstudie (Frau Bauer)

Beschreibung

In diesem Porträt stellt Ernst Ludwig Kirchner die Mutter seines behandelnden Arztes und Freundes Frédéric Bauer (1883–1957), Louise Bauer, geb. Lodemann (1849–unbekannt), dar. Ab 1924 wohnt die gelernte Krankenschwester, die laut Roland Scottis Recherchen Vorsteherin des Diakonats von Mühlhausen, einem gemeinnützigen Krankenhaus, gewesen war, im Haus ihres Sohnes in Davos. 1927 wird sie ein Bildmotiv für Kirchner, das er in verschiedenen Techniken und in unterschiedlichen Bildformaten bearbeitet. Es entstehen zwei Gemälde, mindestens vier Zeichnungen und mehrere Radierungen und Holzschnitte mit Bildnissen von Louise Bauer.
In einem Brief vom26.01.1928 erläutert Kirchner dem Sammler, dass der Grund für die Entstehung der Bildnisse nicht seine Beziehung zu ihm als Sammler, sondern das Gesicht seiner Mutter sei: »ich habe in meinem vorigen Brief noch vergessen zu schreiben, dass Sie in Ihrer Freundlichkeit nicht denken müssen, dass Sie unbedingt eines der Bilder Ihrer Mutter erwerben müssten. Ich habe die Bilder nicht deshalb gemalt sondern weil mich dies Gesicht interessierte. Sie können die Bilder ganz ruhig mir zurückgeben, wenn sie Ihnen nichts sagen. Ich habe das immer so gehalten und möchte es auch in Zukunft so tun. Nichts ist deprimierender, als zu wissen, dass jemand ein Bild hat oder erwirbt aus irgend welchen [sic!] Rücksichten, das ihm nicht gefällt. Nicht wahr, Sie handeln da ganz nach Ihrem Ermessen ohne Rücksichten.« Bauer erwirbt eins der Bilder, wie ein Brief Kirchners an den Davoser Arzt vom 10.02.1928 belegt, in dem er schreibt, dass er sich darüber freue, »dass Ihnen das kleine Bild nach Ihrer Mutter so viel sagt, dass Sie es behalten wollen.«
Weiterhin befinden sich spätestens vom 25.10 bis 14.12.1952 vier Zeichnungen mit Bildnissen von Frau Bauer im Eigentum ihres Sohnes, die ebenso wie das Gemälde Teil seiner Sammlungspräsentation in der Ausstellung ERNST LUDWIG KIRCHNER. GEMÄLDE UND GRAPHIK DER SAMMLUNG DR. F. BAUER, DAVOS vom 25.10. bis 14.12.1952 im Haus der Kunst in München sind. Eine Quelle, die den genauen Zeitpunkt des Erwerbs dieser »Porträtstudie (Frau Bauer)« belegen könnte, ist uns bisher für diese Zeichnung nicht bekannt. Scotti verweist in einem Aufsatz zu Bauer als »Arzt und Ästhet« aber darauf, dass Bauer den Großteil seiner Sammlung bis 1932 zusammengetragen habe, so dass dies auch für diese Zeichnung zutreffen könnte.
Ab 1953 beginnt Bauer damit, seine Sammlung sukzessive über das Auktionshaus Stuttgarter Kunstkabinett zu veräußern. Lothar-Günther Buchheim (1918–2007) erwirbt »Porträtstudie (Frau Bauer)« als Los-Nr. 428 in der 30. Auktion des Stuttgarter Kunstkabinetts am 26.11.1957, wie das Archiv Robert Norbert Ketterer freundlich bestätigte. Eine entsprechende Arbeitsthese hatte sich bei Projektbeginn aus einer Annotation der Los-Nummer in Buchheims Auktionskatalog durch ein Kreuz mit rotem Farbstift ergeben. Buchheim erwirbt nicht nur »Porträtstudie (Frau Bauer)« auf dieser Auktion, sondern auch das Gemälde »Blumenfenster« von Max Pechstein (Inv. 0.00026b) sowie Carl Hofers »Pfirsiche« von 1923 (Inv. 0.00067) .

Die Provenienz ist für den Zeitraum zwischen 1933 und 1945 rekonstruierbar und unbedenklich. Sie schließt einen NS-verfolgungsbedingten Hintergrund aus.

JL

21.09.2023